Azraels Auftrag (German Edition)
achtjährige Mädchen. Eleeya gab keine Antwort und warf einen bösen Blick zurück.
„He, komm, bist du etwa immer noch eingeschnappt?“
Keine Reaktion.
„Aber du musst doch zugeben, dass das komisch war“, feixte Azrael verschmitzt.
Er war inzwischen stärker gealtert als Eleeya und war nun zirka sechzehn oder siebzehn Jahre alt. Das Haar fiel offen bis auf die Schulter herab und wurde von dem bronzefarbenen Stirnreif gehalten. Es war derselbe Reif wie vor vier Jahren, nur war diesmal auf der Vorderseite in Silber und Gold eine stilisierte Doppelspirale eingelassen, ähnlich der Brosche des Ersten Wächters. Einer Modeerscheinung zufolge war das Haar bis auf einen Streifen im hinteren Bereich des Kopfes blauschwarz gefärbt.
„Also, ich fand es lustig, als mit einem Mal die fünf Haie hinter dir hergeschwommen sind.“
Eleeya begann zu brodeln. Azrael begann wieder zu Kichern.
„... und als dann noch direkt vor dir der Octopus auftauchte...“, weiter kam er nicht, weil er von einem Lachanfall gerüttelt wurde. Er schlug sich glucksend auf die Schenkel.
Eleeya kochte über. Knurrend drehte sie sich zu Azrael um. Ihre Ohren lagen eng am Kopf nach hinten an, und ihre Zähne mahlten aufeinander. Azrael stand gekrümmt vor Lachen da und zeigte mit ausgestreckter Hand auf Eleeya. Und dann geschah etwas absolut Ungewöhnliches. Ein Funkeln umgab Eleeyas Hände.
In diesem Moment erhob Eleeya die Arme, schrie auf und warf beide Hände in Azraels Richtung.
Ein lautes Klatschen war zu hören, als Azraels Kopf zur Seite geworfen wurde. Sein Lachen erstarb mit einem Prusten. Er drehte sich um seine eigene Achse, stolperte, und fiel dann der Länge nach hin. Über ihm züngelten, wie winzig kleine Schlangen, rote Blitze, die seinen Körper krampfartig zucken ließen. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann war alles vorbei.
Azrael blieb bewegungslos liegen. Er lag verdreht auf der Seite, die katzenartigen Augen weit geöffnet.
Eleeya war zutiefst erschrocken und schlug die Hände vors Gesicht. Langsam näherte sie sich ihrem reglosen Bruder. Seine starren Augen blickten nach oben.
Eleeya schluchzte.
„Azrael, was ist denn los?“ Sie ging neben ihm in die Knie und berührte seine Schulter, doch ihre Hand glitt ohne Widerstand hindurch.
„Hey, sag was.“
Doch das Abbild ihres Bruders blieb regungslos liegen.
„Azrael, bitte, das wollte ich nicht“, begann sie zu schluchzen, „sag doch bitte was!“
Azrael zuckte zusammen. Dann blinzelte er. Seine beiden Ohren stellten sich auf. Er schielte auf Eleeya und sagte dann: „Was...!“
Langsam schüttelte er seinen Kopf und stemmte sich nach oben.
„Hey, Schwesterchen, eigentlich sollte so was gar nicht möglich sein.“
Eleeya nahm die Hände vor dem Gesicht weg, vollständig verunsichert.
„Na warte. Wenn ich das Dad erzähle, er wird’s kaum glauben“, grinste er.
Zuerst verengten sich Eleeyas Augenbrauen, als ob sie wieder zu weinen beginnen würde, doch dann erkannte sie, was geschehen war und begann zu kichern.
Sie nutzte die Gelegenheit, nahm allen Mut zusammen und sagte: „Du bist zu weit gegangen, Bruderherz. Das war das letzte Mal. Ich lasse mir von dir nichts mehr gefallen. Ist das klar?“
Nachdem keine Einwände kamen, fuhr sie fort:
„So, und wenn wir schon einmal dabei sind - ich möchte diesen Fetzen hier nicht mehr.“
Sie deutete auf ihre Bekleidung.
„Du kommst immer mit so tollen Sachen daher, und wie laufe ich hier durch die Gegend?“
„Aber Schwesterchen, deine Sachen sind doch noch gut, ich weiß nicht, was du hast?“
Eleeya legte einen grimmigen Blick auf, der durch das leichte Grinsen nicht so ernst wirkte. Nach einer kurzen Pause entgegnete Azrael: „Nun gut, einverstanden. Ich zeige dir, wie das mit den festen Materialien funktioniert.“
Eleeyas Grinsen wurde breiter.
„Jetzt werde aber nicht übermütig – herstellen musst du dir die Sachen dann schon selber. Ich zeige dir nur, wie es geht. Und glaube nicht, dass dadurch deine Übungszeit kürzer wird. Betrachte es als einen vorgezogenen Teil deiner Ausbildung.“
Ein noch breiteres Grinsen entblößte zwei Reihen weißer Zähne.
„Danke, Azrael.”
„Is’ schon gut. Ich glaube, mein Schwesterchen wird langsam erwachsen. Das geht mir etwas zu schnell.“
„Aber du hast doch gesagt, ich soll schnell lernen!“
„Aber nicht das mit den Kleidern. Diese Marotte mit den schicken Klamotten kommt noch früh genug.“
„Das verstehe ich nicht.
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