Azraels Auftrag (German Edition)
voneinander, stiegen in einer großen seitlichen Kurve aufwärts. An ihrem höchsten Punkt angelangt begannen sie in rasendem Tempo auf Eleeya zuzufliegen.
Der rote Drache näherte sich von links, der Blaue von rechts.
„Aaah, Vater...“, begann sie mit zittriger Stimme.
„Keine Angst, mein Mädchen. Es passiert dir nichts. Schau genau hin, es wird dir gefallen.“
Eleeya war sich nicht ganz sicher, ob sie den Worten vertrauen konnte.
Doch Vater hatte sie noch nie belogen. Sie musste jetzt einfach stark sein.
Die Drachen hatten sich bis auf fünfzig Meter genähert. Eleeya spürte bereits die Luftwogen der schlagenden Flügel. Beide Drachen rissen ihr Maul auf. Große, scharfe Zähne wurden sichtbar.
Aber nein, sie zeigten nicht böse die Zähne – sie lachten Eleeya an und beide riefen in jeweils tiefer und hoher Stimme ihren Namen: „Eleeeyaaa...!“
Und dann waren sie auch schon heran. Prasselnd stießen die beiden Drachen fünf Meter vor ihr zusammen. Eleeya begann zu schreien.
Riesige Mengen an blauen und roten Funken stoben auseinander. Knisternd und brausend lösten sich die beiden Drachen in einem gewaltigen Funkenregen auf. Doch dann sah Eleeya genauer hin. Ihre Mundwinkel verzogen sich erst leicht, dann begann zu grinsen. Sie wurde umringt von Tausenden roten und blauen Schmetterlingen, die um sie herum in der Luft tanzten.
„Hey, hey…, toll...“ Eleeya warf die Arme in die Luft und bewegte sich tanzend mit den Schmetterlingen im Kreis.
„Mehr...“, rief sie, „... mehr, Vater, mehr...!“
Der Erste Wächter lächelt: „Ja, mein Mädchen, davon gibt es noch eine ganze Menge - lass uns anfangen - morgen.“
„Nein, nicht morgen...“
„Doch, doch, du bist müde, mein Mädchen. Das war ein harter Tag für dich.“
Im selben Moment merkte Eleeya, wie ihre Augenlider immer schwerer wurden. Müde ließ sie sich im Gras nieder. Ein paar Schmetterlinge hatten sich auf ihrer Hand niedergelassen und schlugen mit den Flügeln.
„Eleeya, du musst nun schlafen gehen.“
„Mhhhm...“ Eleeya legte sich ins Gras. Ein riesiger orangefarbener Mond begann über der Hochebene aufzugehen und würde dafür sorgen, dass es nicht dunkel wurde.
„Schlaf gut, mein Mädchen.“
„Vater, bleib bei mir...“
„Ich bleibe noch ein wenig, bis du schläfst, Kleines. Doch dann muss ich gehen. Du weißt ja, dass ich noch viel zu tun habe. Aber... ich bin immer in deiner Nähe.“
Entspannt ließ sich Eleeya in den Schlaf gleiten.
„Das Transscript hat sich gefestigt und ist aktiviert“, hallte die Stimme des Ersten Wächters durch den Raum.
Zwischenwelt, Eleeyas Ausbildungsort
Ein Zwitschern war das Erste, was sie nach ihrem traumlosen Schlaf hörte.
Plötzlich bemerkte sie eine Berührung an ihrem Arm. Eleeya zuckte und riss die Augen auf. Zwei Sonnen standen am Himmel, die kleinere der beiden war komplett aus dem Meer gestiegen und warf ihr Licht auf Zwischenwelt.
„He, Langschläfer, aufwachen. Es ist schon lange hell.“
Erschrocken drehte sich Eleeya um und sah in einem Meter Entfernung einen Jungen sitzen. Er stocherte mit einem Stock auf dem Boden herum. Sein Alter war schwer zu schätzen, doch Eleeya ahnte, dass er in etwa zwölf Jahre alt war. Sein kinnlanges Haar wurde von einem bronzefarbenen Stirnreif gehalten. Im hinteren Bereich begann sich das Haar schneeweiß zu verfärben, ein sicheres Zeichen dafür, dass die Wandlung fast abgeschlossen war. Er grinste.
„Hi Schwesterchen. Ich soll dich von Dad grüssen. Ihm ist was Wichtiges dazwischen gekommen.“
Eleeyas Gesicht wandelte sich in ein breites Grinsen: „Azrael“, quietschte sie und wollte nach ihm greifen, doch ihre Hand griff durch Bein.
Grinsend hob der Junge seine Augenbraue und sagte: „Hm, das geht nich’, weißt du doch.“
Eleeya hielt kurz inne und lachte dann fröhlich. „Ja, ist ja schon gut, weiß ich doch“, entgegnete sie und stand auf. „Bin froh, dich zu sehen. Mein Bruder ist wieder da...“, quiekte sie übermütig. „Azrael. Wo warst du?“
Die Pseudoerinnerungen passten sich schnell an und erlaubten weitere Modifikationen.
„Hatte zu tun – reine Männersache! Verstehst du eh’ nicht’’, erklärte er wichtig.
„Pöh“, machte Eleeya und zog einen Schmollmund.
„Dad hat gesagt, wir sollen schon mal ohne ihn anfangen, Schwesterchen“, sagte Azrael und erhob sich vom Gras.
Er trug eine seltsame Mischung aus Toga und Kimono, welche in der Taille von einer Kordel gerafft
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