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Azraels Auftrag (German Edition)

Azraels Auftrag (German Edition)

Titel: Azraels Auftrag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Oswald
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wollte.
    Azrael fuhr fort:
    „Aber ich weiß, dass du es besser kannst. Noch viel besser. Ich habe blindes Vertrauen in dich.“
    Eleeya blickte kurz zur Seite, dann fixierte sie wieder Azraels Augen.
    „Aber...“, begann sie, „aber ich habe doch genau gemacht, was du gesagt hast.“
    Mit einem Mal war ihr gesamtes, gleichgültiges Verhalten gewichen. Auch sie benutzte jetzt beide Hände und begann, ihre hervorsprudelnden Worte zu unterstreichen.
    „Die Zeitverteilung habe ich exakt überprüft. Die verschiedenen Strömungen im Chi-Fluss habe ich keinen Moment aus den Augen verloren. Ich wollte alles so richtig machen. Ich habe sogar verschiedene Zwischeninterpolationen durchgeführt...“
    „Was hast du“, fragte Azrael zart, immer noch lächelnd.
    „Na, ich habe zwischendurch die Matrix in unterschiedlichen Varianten überprüft, damit auch ja alles funktioniert.“
    Azrael sah sie schweigend an. Seine Gedanken rasten. Das habe ich noch nie gemacht, dachte er. KEINER hat so etwas bisher versucht!
    Er erwachte aus seiner Starre und wiegte ganz leicht ihre Schultern vor und zurück, dann zupfte er kurz an einer Haarsträhne.
    „Ja, Kleine. Ich glaube, genau das ist es.“ Er ließ sie los und sein flimmerndes Erscheinungsbild schritt einfach durch sie hindurch. Er ging noch ein paar Meter weiter als Eleeya sich zu ihm umdrehte und fragte:
    „Was meinst du? Was ist was ?“
    Azrael blieb stehen. Sein langes Haar war am oberen Hinterkopf beginnend zu einem Zopf geflochten, in dem mehrere metallene und lederne Verzierungen eingearbeitet waren. Ein breites, purpurnes Band war wie ein Schal mehrfach um seine Schultern geschwungen und hing bis an die Waden herab. Darunter trug er eine lange Tunika in einem etwas helleren Farbton. Verschiedene dunkelbraune Lederverstärkungen, die an Schultern, Unterarmen und im Brustbereich angebracht waren, wirkten wie eine Art Rüstung. Aufwendige Verzierungen aus Messing und einem schwarzen, glänzenden Material schmückten die Lederverstärkungen.
    Azrael stellte sich breitbeinig hin und verschränkte kurz die Arme. Aus dieser Bewegung heraus griff er sich mit der rechten Hand nachdenklich ans Kinn.
    „Ja, ich glaube, das ist der Grund. Du möchtest es perfekt machen, nicht wahr?“
    Eleeya war immer noch verunsichert und vermutete eine Fangfrage dahinter. Daher sagte sie nichts und hörte einfach weiter zu, innerlich lauernd, ob nicht doch der nächste Ausbruch bevorstand.
    „Du weißt, was du kannst. Das mit der Zwischeninterpolation habe ich übrigens vorher noch nie gehört“, lächelte er. „Ich wusste gar nicht, dass so etwas an dieser Stelle geht. Nicht übel – für einen Anfänger!“ Verdammt, warum habe ich so etwas vorher nie versucht?
    Eleeya wurde verlegen und begann ebenfalls zu lächeln.
    „Aber schau, Schwesterchen, genau da fängt das Problem an. Du versuchst, das alles perfekt zu machen. Du möchtest alles im Griff haben. Du möchtest den Fluss so steuern, wie du es gelernt hast.“
    Azrael drehte die Handflächen nach oben.
    „Eleeya, siehst du es denn nicht?“
    Azrael strahlte sie an.
    „Du hast alle Fähigkeiten, die notwendig sind. Du bist zuweit gegangen - du hast den selbstlosen Weg vergessen. Du versuchst, alles immer unter Kontrolle zu halten. Und genau das führt zu deinem Scheitern. Wir haben zu viel gelernt und das Wesentliche wieder außer Acht gelassen. Besinn dich doch nochmals auf die Anfänge deiner Ausbildung. Konzentriere dich mit jeder Faser auf deine Aufgabe. Schau sie dir in Gedanken genau an. Ganz genau – aus jeder erdenklichen Richtung. Achte auf jedes Detail. Bleib hierbei ganz neutral. Nicht werten, nicht beurteilen, nicht kommentieren – nur beobachten. Nimm alles auf, was ist - und dann lasse los!
    Übergib dich dem Fluss. Versuche nicht selbst, etwas zu regeln. Es wird dich regeln. Du bleibst einfach nur als Beobachter zurück, der sich des Beobachtens nicht mehr bewusst ist.
    Es gibt dann niemanden mehr, der beobachten kann, und auch nichts mehr, was beobachtet werden kann. Alles ist eins. Und es geschieht einfach.“
    Eleeya wusste genau, was Azrael meinte. Konnte es wirklich sein, dass...?
    Ihre Gedanken begannen zu kreisen.
    In der Tat hatte Azrael Recht, sie wusste wirklich die ganzen Details, kannte sie sogar in- und auswendig. Und bei den normalen Übungen klappt alles tadellos. Azrael war davon sehr überzeugt. Ja, da strengte sie sich auch gar nicht mehr an, das geht einfach von selbst. Fast ohne ihr zutun.

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