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Azraels Auftrag (German Edition)

Azraels Auftrag (German Edition)

Titel: Azraels Auftrag (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Oswald
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oben.
    „Nein, du machst es falsch“, tobte er. „Ich sage es dir zum Hundertsten Mal. Du wünscht es dir zu sehr. Du bist in Gedanken nicht selbstlos.“
    Es war ziemlich frisch an diesem Morgen. Denaan war bereits seit einiger Zeit am Himmel, doch durch die dichte Schicht aus Wolken und Nebel war nur ein schwach leuchtender Fleck zu sehen. Die kalte Jahreszeit war sehr anhaltend gewesen und brachte auf der Hochebene Schnee. Doch man merkte, dass sich die Vegetation auf die wärmere Jahreszeit eingestellt hatte.
    Azrael blickte über seine rechte Schulter. Sein Blick wanderte die Steilfront des Hochplateaus hinauf, auf deren zahlreichen Absätzen Schnee lag.
    Mit großen Schritten ging er auf den am Boden liegenden Kadaver zu, der entfernt Ähnlichkeit mit einem Säugetier hatte. Es war ein halbflüssiger Zellhaufen, aus dem fünf unterschiedlich ausgebildete Armstümpfe ragten. Zwei riesige, teilweise ineinander verschmolzene Gebisse zierten den feucht schimmernden Rücken des flunderförmigen Experiments.
    „Und nun das hier. Schau dir das an“, rief er und trat mit dem rechten Fuß gegen den organischen Haufen. Wie ein Gelatineklumpen wabbelte das unförmige Etwas, bis es wieder zur Ruhe fand. Er warf die rechte Hand hoch, die Handfläche ausgestreckt. Dann knickte er einfach seine Hand im Gelenk ab und deutete von oben herab auf den Klumpen.
    „Ich predige es dir immer und immer wieder. Warum tue ich das hier. Es ist reine Zeitverschwendung. Hörst du mir eigentlich überhaupt noch zu?“
    Eleeya würdigte Azrael mit keinem Blick. Sie stand einfach teilnahmslos da und zog das lange Kapuzencape enger um sich. Man merkte ihr an, dass sie fror. Ihr Blick war aufs Meer gerichtet.
    „HE, ELEEYA...!”
    Langsam blinzelte Eleeya und drehte sich in Zeitlupe zu Azrael um. Sie legte einen verwirrten Gesichtsausdruck auf.
    „Hmm? Was... ?“ Sie zog die Augenbrauen zusammen. Ihre Ohren stellten sich seitlich ab als sie den Kopf leicht neigte.
    „Oh, entschuldige, Brüderchen, ich habe nicht zugehört. Kannst du das bitte noch mal wiederholen?“
    Azrael stapfte auf sie zu und blieb einen halben Meter vor ihr stehen. Eleeya reichte ihm mittlerweile bis fast an die Schulter. Wie alt war sie inzwischen? Elf, oder vielleicht schon zwölf? Er wusste es nicht mehr genau.
    Die Brise, die vom Meer herüber wehte und nun wärmere Luft herantrug, ließ ihr schulterlanges weißes Haar wehen. Eleeya strich sich eine größere Strähne, die ihr immer wieder ins Gesicht wedelte, hinter ihr Ohr und legte es eng an den Kopf an. Sofort hielt die Strähne wie mit einer kleinen Spange befestigt. Sie schob ihr Kinn vor, legte den Kopf schief und schaute Azrael mit einem Grinsen an.
    Azrael schnaufte innerlich. Schon öfters in letzter Zeit hatte sie sich solche Sachen einfallen lassen, die ihn zur Weißglut trieben. Früher wurde sie durch seine Wutausbrüche sehr eingeschüchtert und hatte oft mit den Tränen kämpfen müssen.
    Doch im letzten Jahr hatte sich ihr Charakter stark geändert. Ja, gewiss, sie war stärker geworden. Aber Azrael war in erster Linie aufgefallen, wie trotzig und launig sie bei solchen Gelegenheiten wurde. Irgendwie verstand sie es immer besser, seine Wut gegen ihn selber zu lenken. Doch diesmal sollte sie damit kein Glück haben. Er konnte sich auch anpassen. Ja, damit würde sie nicht rechnen. Azrael kochte.
    Er legte ein zuckersüßes Lächeln auf und sagte in leisem Ton: „Schau mal, ich versuche doch nur, dir zu helfen.“
    Azrael legte beide Hände auf ihre Schultern.
    „Ich weiß ja, wie schwer du es hast.“
    Innerlich biss er sich fast die Zunge ab. Auch er legte den Kopf leicht schief und säuselte:
    „Ich kenne keinen, der so gut ist wie du. Du machst das ganz phantastisch - wirklich!“
    Der erwartete Effekt trat ein. Eleeya fühlte sich nämlich gar nicht mehr der momentanen Situation gewachsen. Mit Wut und Schnauzereien kam sie mittlerweile gut zurecht. Was konnte er ihr dann schon? Er wollte doch etwas von ihr. Und wenn sie nicht das lernen konnte, was Vater ihnen aufgetragen hatte, würde es auch auf ihn zurückfallen. Also... !
    Azrael senkte den Kopf und sah sie lächelnd an.
    „Schwesterchen, glaub mir, ich habe schon viele unterrichtet. Und ich habe eine Menge gesehen. Aber ganz im Ernst, alles, was du hier vollbringst, lässt sich mit keinem Maßstab mehr messen!“
    Jetzt nur nicht übertreiben , dachte er.
    Eleeya war verwirrt. Sie öffnete den Mund, als ob sie etwas sagen

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