Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
einen entlegenen Teil des Strandes führte. Er watete durch die seichten Fluten und ich tat es im gleich.
Das Wasser erreichte mich mit seiner Kälte, und erinnerte mich an den Tag, an dem ich zum ersten Mal wirklich nach Azulamar gekommen war. Doch dieses Mal passierten wir das Strandstück, an dem River und ich immer in die Wellen gegangen waren, und setzten unseren Weg fort.
»Wohin genau müssen wir eigentlich?«, fragte ich, nun doch etwas skeptisch. »Goliath?«
»Es ist nicht mehr weit«, erwiderte er vage. »Nur keine Sorge. Es wird alles geregelt werden.«
Der Sandstrand schien kein Ende nehmen zu wollen, und Goliath und ich schwiegen uns an, während ich meinen Blick über das Meer schweifen ließ. Als Goliath endlich stehen blieb, entdeckten meine Augen eine Stelle im Meer, die dunkler aussah als das restliche Gewässer. »Folgt mir!«, forderte mich Goliath auf und ging zielstrebig auf die Fluten zu.
»Wartet!«, hastig eilte ich ihm hinterher und hielt ihn an der Schulter fest. »Ich habe doch keinen Viorev-Stein mehr!«
»Den werdet Ihr auch nicht brauchen, vorausgesetzt, Ihr könnt schwimmen«, erwiderte Goliath.
Bevor ich protestieren konnte, griff er nach meinem Arm und zog mich hinter sich her. »Nein, ich …« Doch meine Stimme ging gurgelnd unter. Ich wurde erbarmungslos von Goliath mitgerissen, der über ungeheure Kräfte zu verfügen schien.
Ich paddelte blindlings drauflos, einfach nur, um mich einigermaßen gerade zu halten, und versuchte zu ignorieren, dass meine Lunge schmerzte und ich Salzwasser einatmete. Doch dann war es plötzlich vorbei.
Ich kann nicht sagen, wie lange es gedauert hat, doch von einem Moment auf den anderen durchbrachen wir die Wasseroberfläche und befanden uns – nicht in Azulamar, aber genauso wenig in meiner normalen Welt.
Was sich nun meinen Augen darbot, hatte ich noch nie gesehen.
»Großer Gott, wo sind wir hier?«, flüsterte ich atemlos.
»Willkommen in Nin’Atur«, verkündete Goliath feierlich.
Ich sah mich um, immer noch im Wasser treibend. Unter mir war ein langer, schmaler Tunnel aus schwarzem Gestein, durch den Goliath mich hindurchgeführt haben musste – und zwar sehr schnell. Der Tunnel war komplett mit Wasser gefüllt und endete nun hier, doch auch der vermeintliche Boden neben der kreisrunden Öffnung des Tunnels war mit glänzendem Wasser überschwemmt – etwa knöchelhoch.
Ich zog mich nach oben und glitt aus dem Loch.
Es war eine Höhle.
Gefertigt aus dem gleichen pechschwarzen Gestein. Die Kanten und Ecken waren scharf und ausgeprägt, doch glatt und wie poliert, sodass sich der Schein dreier Fackeln, die um den Tunnel herum platziert waren, in ihnen spiegeln konnte. Das Feuer, dunkel und tiefrot mit einem Stich gelb, verlieh dem Augenblick eine mystische, fast schon unheimliche Ausstrahlung.
»Nin’Atur«, wiederholte ich den fremdartigen Namen, der mit einem besonderen Akzent ausgesprochen wurde. Das »R« von »Atur« betonte Goliath besonders stark und ließ es rollen, sodass es ein wenig unsauber endete.
Goliath stellte sich neben mich.
»Dort entlang.« Er wies auf einen großzügig gestalteten Gang, der von Fackeln umsäumt war. Zögerlich folgte ich ihm.
Der Gang machte einige abstrakte Biegungen, ging tiefer nach unten und dann stiegen wir wieder weiter hinauf, kurzum: Ich verlor mit der Zeit vollkommen mein Orientierungsvermögen, obwohl ich am Anfang versucht hatte, mir den Weg zu merken. Dann endete er urplötzlich – in einer riesigen Höhle.
Nein, falsch. Es war eine Stadt, die unter dem Meer lag – und unter dem Meeresboden, wie mir soeben klar wurde.
Mir blieb der Atem weg.
Eine lange, gewundene Treppe führte hinab auf den sandigen Untergrund, der zwar feucht und leicht schlammig wirkte, aber nicht geflutet war. Dort unten standen Häuser, die mich sehr an absolut menschliche Baukunst erinnerten – sie waren aus Lehm, Holz und Stein gebaut, hatten Dächer, aber keine Türen, sondern nur Bögen als Öffnungen.
Das alles bemerkte ich jedoch nicht sofort – denn zuerst fesselte meinen Blick etwas ganz anderes.
Ein riesiger, gigantischer Baum stand in der Mitte der Höhle. Seine Wurzeln waren lang und verzweigt, manche von ihnen hatten einen Durchmesser wie andere Bäume Stämme haben. Die Rinde war dunkel, beinahe schwarz. Sie war wulstig und leicht verknöchert, sodass klar war, dass der Baum uralt sein musste. Eine gewaltige Krone füllte das Dach der Höhle aus und ein paar kräftige Äste, die
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