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Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)

Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)

Titel: Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sarah-Janina Hannemann
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aber ich wusste nun auch, warum er es tat. Ich war für ihn die Auserwählte, und noch viel mehr. Ich war Demeter, in ihrer reinsten Form, die Göttin selbst, die gekommen war, um wie eine Feuer speiende Galionsfigur durch die Wellen zu brechen.
    Ich atmete tief ein und aus, dann griff ich zu.
    Das gleiche Gefühl, das ich in diesem Augenblick empfand, musste die Fantasien der Marianer beflügelt haben, wann immer sie die zwei Waffen berührten. Es war eine unerklärliche Göttlichkeit, die jegliches Vorstellungsvermögen überschritt, das ich besaß. Macht, grenzenlose Macht, ruhte mit einem Mal in meinen Händen. Ich hielt die Kraft, die Erde zu beherrschen, direkt unter meinen Fingerspitzen.
    Angst, der großen Verantwortung nicht gewachsen zu sein, beschlich mich.
    Was, wenn ich versagte?
    Die Anziehungskraft der Sense war unwiderstehlich.
    Was, wenn ich mich nicht mehr bremsen könnte?
    Was, wenn ich alle anderen gefährdete, wenn ich mich nicht würdig erweisen würde? Das kühle Metall wurde heiß unter meiner Haut und die Sense und ich verschmolzen miteinander. Sie gehörte zu mir. Zweifelsohne. Jetzt begriff ich auch, was dieses
Auserwähltsein
für eine Bedeutung hatte: Ich selbst speiste die Sense mit Kraft und im Gegenzug wurde auch ich von ihr mit reiner, magischer Energie ernährt. Es war so, als wäre sie nur eine Verlängerung meiner Arme, ein Trichter meines eigenen, gespaltenen Könnens. Ich war nun alles zusammen.
    Ein normales Mädchen, eine Wasserflüsterin, eine Erdenbeschwörerin, eine Kriegerin, die Auserwählte, vielleicht sogar so etwas wie eine wahre Göttin.
    In dem Moment, in dem ich das realisierte, löschten sich fast gänzlich alle Erinnerungen an mein Leben vor meiner Begegnung mit River. Alles schien mir unwichtig und belanglos zu sein, denn dies war der Tag,auf den ich hingearbeitet hatte, mein Leben lang. Ohne es gewusst zu haben.
    Es war Schicksal, und alles andere, was ich vorher über Schicksal erfahren hatte, war bedeutungslos.
    Ich war dafür geboren, ja,
geschaffen
worden, um an diesem Tag ins Meer zu gehen und diese Geschichte zu schreiben. Ich hatte nur dafür gelebt.
    Der Baum sang, Nin’Atur war in Aufruhr. Ich war nicht mehr ich selbst, doch das war gut so.
    »Es ist soweit«, drang meine Stimme laut und voll durch ganz Nin’Atur. »Unser Morgen ist da.«
    Etwa achtzig Gestalten befanden sich hinter mir. Ich konnte sie nicht hören – erstens, weil sie sich lautlos bewegten, zweitens, weil mein Gehör so wie mein restlicher Körper auf ganz andere Wahrnehmungen geschärft war.
    Meine Füße streiften das dichte, steife Gewächs am Meeresgrund. Die pelzige, harte Schicht berührte meine nackte Haut und hinterließ winzige Risse, doch ich merkte das nicht mehr. Ich hatte mich geirrt: Nicht die Sense gehörte mir, sondern ich gehörte der Sense. Sie war stärker als ich, ich war nur der Körper, den sie brauchte, um ihren eigenen Willen auszuführen.
    Das alles verstand ich, doch wirklich denken konnte ich nicht mehr. Meine Gedanken waren mir selbst verborgen, nur noch ein Ziel stand mir direkt vor Augen: den Albtraum, der sich durch mein Leben zog, zu beenden.
    Sanft trug mich die Strömung näher an Azulamar heran, bis ich die schillernde Stadt erkennen konnte.
    Der ganze Tross kam zum Stehen, während Alcatraz neben mich trat.
    »Die Sonne geht auf«, bemerkte er, seine Stimme klang weit entfernt.
    »River ist noch nicht hier.«
    »Wir können nicht mehr warten. Der Augenblick in der Dämmerung ist die perfekte Gelegenheit.«
    »Ich gehe nicht ohne ihn.«
    »Ihr müsst, Ashlyn.«
    Ich zögerte. Die Sense meldete sich in meinem Inneren zu Wort – ohne wirklich etwas zu sagen. Ich spürte ihr Drängen, endlich anzugreifen und gegen die Wasserflüsterer zu kämpfen. River hatte mir gesagt, dass er kommen würde.
    »Wir müssen warten«, erwiderte ich störrisch. »Ich brauche ihn bei mir.«
    »Er ist weder magisch begabt noch ist er mehr ein Prinz. Wir brauchen ihn nicht.
Ihr
braucht ihn nicht. Wolltet Ihr nicht unabhängig sein?«, beschwor Alcatraz mich. »Dann beweist es jetzt.«
    Die Spannung wurde unerträglich. Ich schloss für einen kurzen Moment meine Augen. Die Worte von Alcatraz hatten irgendetwas in mir ausgelöst. Als ich die Augen wieder aufschlug, ruhten die Blicke der achtzig Skalven auf mir.
    »Lasst uns Azulamar befreien«, sagte ich leise und ruhig. Es war so still, dass jeder, auch der Letzte in der letzten Reihe, meine Worte verstehen konnte. Nur ein

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