Azulamar: Der Erbe von Atlantis (German Edition)
zusammen. Selbst meinen Blick mied er, aber das war wohl verständlich.
»River, ich …«, begann ich sanft und wollte meine Hand auf seine Schulter legen, doch er wich mir aus.
»Bitte berühr mich nicht«, vernahm ich seine Stimme. »Mach es nicht noch schlimmer.« Er machte einige Schritte auf Alcatraz zu, und während sie allein mit ihren Verhandlungen begannen, wurde in mir das Gefühl absoluter Ohnmacht wach. River hatte nun keinen Grund mehr, mich zu lieben, nein, vielmehr, mich zu hassen. Ich wusste, er machte mich dafür verantwortlich, dass er Azulamar nun schließlich doch verlor. Der ganze, längst verdrängte Schmerz über unsere Trennung kamwieder hoch und löschte jedes Hoffnungsgefühl, das ich bis dahin besessen hatte.
Ich beobachtete River, die scharfe Kontur seiner Wirbelsäule zwischen seinen Schulterblättern, die goldene Haut und das ebenso goldene Haar. Ich sah seine Anspannung, und ich sah Paradise, die auf der Unterlippe kauend, neben ihm stand, und in mir wuchs eine neue Erkenntnis.
Vielleicht war es gar nicht unser Schicksal, zusammen zu sein.
Vielleicht hatten uns die Götter – oder wer auch immer – dafür vorgesehen, nur eine kurze Zeit gemeinsam zu verbringen, diesen Krieg zu schlagen und dann wieder getrennte Wege zu gehen. Paradise schmiegte sich an River.
Sie sahen zusammen so aus, wie ein Paar auszusehen hatte. Harmonisch.
Meine Erkenntnis reichte weiter: Wenn River ohne mich glücklich werden konnte, dann sollte er das tun. Ich wollte lieber, dass er mich hasste, als dass er nichts für mich empfand. Und er sollte lieber in einem anderen Leben seine wahre Erfüllung finden, als an mich und an ein ungewolltes Leben gefesselt zu sein.
»Wir sind uns einig!«, verkündete Alcatraz in diesem Augenblick und streckte River die Hand hin.
Rivers Finger zitterten, als er sie ergriff und damit besiegelte, was mit Azulamar passieren würde, sollten wir Erfolg haben. Kaum hatten sich ihre Hände berührt, zog River die seine wieder zurück, legte den Arm um Paradise Schultern und wandte sich ab, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.
Mein Blick fand den von Alcatraz.
»River hat sich dazu entschieden, seine Königswürde und die seiner Cousine aufzugeben. Ebenso werden alle ihre Nachkommen niemals Anspruch auf den Thron Azulamars erheben. Sollte der Kampf gegen Alastair gewonnen werden, erhalten die Skalven damit die sofortige Erlaubnis, nach Azulamar zurückzukehren, und die Herrschaft wird in eine Demokratie umgewandelt, die von einem parlamentarischen Rat bewacht wird. Es steht River und seiner Cousine frei, in Azulamar zu bleiben, dafür bleibt ihnen die Möglichkeit, selbst in das Parlament zu kommen, offen«, fasste Alcatraz die Entscheidungen der Verhandlung zusammen und fügte dann hinzu: »Wir werden noch heute beginnen zu agieren. Sobald die Sonne im Zenit über Azulamar steht, greifen wir an und versuchen, den Dreizack zu holen.«
River sah so aus, als wäre er kurz davor, über Alcatraz herzufallen und ihn anzuschreien, er wolle Azulamar nicht hergeben. Doch er riss sich zusammen, und ich erkannte, wie viel Überwindung diese Entscheidung ihn gekostet haben musste.
»Wir bieten Euch ferner an, mit nach Nin’Atur zu kommen«, fügte Alcatraz hinzu. »Ihr braucht ein Lager.«
River neigte den Kopf. »Paradise – Elomir – Dracion … Ich will, dass ihr nach Nin’Atur geht. Lasst euch dort mit Waffen ausstatten und ruht Euch aus. Nur du nicht, Paradise. Du wirst diesen Kampf nicht mit mir schlagen.«
»Was soll ich stattdessen tun? Und was ist mit dir?«
»Du bleibst in Nin’Atur, bis wir – hoffentlich siegreich – zurückkehren. Ich selbst will die letzten Stunden, in denen ich der Kronprinz bin, allein verbringen.«
Seine Stimme ließ keinen Widerspruch zu.
Uns allen war bewusst, dass das der letzte Befehl sein würde, den er als Prinz geben konnte, und den mussten wir respektieren – war es doch fast wie der letzte Wunsch eines Todgeweihten.
Wortlos drehten sich Alcatraz, der andere Älteste und die drei anderen um, um nach Nin’Atur zurückzukehren.
Ich jedoch blieb stehen und niemand hinderte mich daran. Selbst River nicht.
Wir hatten noch zu viel miteinander zu klären.
Um uns herum wurde es still, als wäre das Meer ausgestorben.
»Bist du nun zufrieden?«, fragte River in einem undeutbaren Tonfall, der mir nicht verriet, wie er das meinte.
»Bist du es?«, erwiderte ich kühl.
Warum mussten wir uns in die Augen starren wie alte Feinde und
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