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Titel: B00B5B7E02 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Cain
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asiatischstämmigen amerikanischen Jugendlichen von Cupertino, die am meisten Probleme damit haben, sich an diese Wahrheit zu halten. Sobald sie erwachsen sind und den Bannkreis ihrer Heimatstadt verlassen, finden sie eine Welt vor, in der lautes Reden die Eintrittskarte für Popularität und finanziellen Erfolg ist. Sie leben am Schluss mit einem Doppelbewusstsein – halb asiatisch, halb amerikanisch –, wobei jede Seite die andere infrage stellt.
    Mike Wei, der junge Mann, der mir sagte, er lerne lieber, als sich mit anderen zu treffen, ist ein hervorragendes Beispiel für diese Ambivalenz. Als wir uns kennenlernten, ging er noch in die letzte Klasse der Highschool und lebte im schützenden Kokon von Cupertino. »Da wir einen so großen Wert auf Bildung legen«, sagte mir Mike damals und meinte damit die Asiaten im Allgemeinen, »ist mit anderen ausgehen kein wichtiger Teil unseres Lebens.«
    Aber als ich Mike im folgenden Herbst wiederbegegnete, wirkte er verunsichert. Er absolvierte sein erstes Studienjahr in Stanford, das mit dem Auto nur zwanzig Minuten von Cupertino entfernt ist, aber demografisch gesehen einer anderen Welt angehört. Wir trafen uns in einem Straßencafé, wo wir neben einer aus jungen Männern und Frauen bestehenden Gruppe von Sportlern saßen, die regelmäßig in Gelächter ausbrachen.
    Mit einem Nicken in Richtung Sportler, die alle Weiße waren, sagte er: »Weiße scheinen weniger Angst davor zu haben, dass andere das, was sie sagen, zu laut oder zu dumm finden könnten.« Mike war frustriert von der Oberflächlichkeit der Gespräche in der Mensa und von dem »dummen Gelaber«, aus dem die Beteiligung in den Erstsemester-Seminaren oft bestand. Er verbrachte seine Freizeit hauptsächlich mit anderen Asiaten, teilweise, weil sie »denselben Mangel an Lockerheit« hatten wie er. Die Nicht-Asiaten gaben ihm das Gefühl, er müsse »unter Strom stehen und begeistert sein, selbst wenn das gar nicht zu meinem wahren Selbst passt«.
    »In meinem Studentenwohnheim gibt es unter fünfzig Studenten insgesamt vier Asiaten«, sagte er mir. »Ich fühle mich mit ihnen wohler. Es gibt einen Studenten, der Brian heißt und ziemlich still ist. Er hat eine asiatische Einstellung, eine Art Schüchternheit, und aus diesem Grunde fühle ich mich in seiner Nähe wohl. Ich habe das Gefühl, dass ich in seiner Gegenwart ich selbst sein kann. Ich muss nichts tun, um lässig zu wirken, während ich in einer großen Gruppe von Leuten, die keine Asiaten oder die richtig laut sind, den Eindruck habe, ich müsste eine Rolle spielen.«
    Mike schien westliche Kommunikationsformen abschätzig zu beurteilen, aber er gab zu, sich manchmal zu wünschen, auch laut und ungehemmt zu sein. »Sie fühlen sich mit ihrer eigenen Mentalität wohler«, sagte er von seinen weißen Kommilitonen. Asiaten fühlen »sich nicht unwohl mit ihrer Identität, aber sie fühlen sich unwohl, wenn sie ihrer Identität Ausdruck verleihen sollen. In einer Gruppe herrscht immer der Druck, aus sich herauszugehen. Wenn sie dem nicht entsprechen, sieht man es ihnen an.«
    Mike erzählte mir, dass er an einer Veranstaltung für Erstsemester teilgenommen hatte: einer Schnitzeljagd in San Francisco, bei der die Studenten sich näher kennenlernen und über ihre gewöhnlichen Grenzen hinausgehen sollten. Mike landete als einziger Asiat in einer Gruppe von Übermütigen, von denen einige nackt über die Straßen San Franciscos liefen und sich während der Schnitzeljagd in einem Kaufhaus als Transvestiten verkleideten. Ein Mädchen zog sich in der Abteilung für Damenwäsche bis auf die Unterwäsche aus. Während Mike mir die Einzelheiten schilderte, dachte ich, er wolle damit zum Ausdruck bringen, dass seine Gruppe komplett überzogen habe. Aber er kritisierte nicht die anderen, sondern sich selbst.
    »Wenn andere sich so verhalten, gibt es einen Augenblick, in dem es mir peinlich ist. Es zeigt mir meine eigenen Grenzen. Manchmal denke ich, dass sie besser sind als ich.«
    Von seinen Professoren erhielt Mike ähnliche Signale. Ein paar Wochen später lud seine Erstsemester-Tutorin – eine Professorin an der Medical School von Stanford – eine Gruppe von Studenten zu sich nach Hause ein. Mike hoffte, einen guten Eindruck zu machen, aber ihm fiel nichts ein, was er hätte sagen können. Die anderen Studenten schienen keine Probleme damit zu haben, herumzuscherzen und intelligente Fragen zu stellen. »Mike, du warst heute so mitteilsam«, neckte ihn die

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