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dachten.
Diese Resultate würden niemanden überraschen, der mit der traditionellen asiatischen Einstellung zum gesprochenen Wort vertraut ist: Reden dient dazu, notwendige Informationen zu vermitteln; Stille und Innenschau sind Zeichen tiefen Denkens und höherer Wahrheit. Worte sind potenziell gefährliche Waffen, die Dinge offenbaren, die man besser ungesagt gelassen hätte. Sie verletzen andere Menschen und können den Sprecher in Schwierigkeiten bringen. 7
Betrachten wir zum Beispiel die folgenden Sprüche aus dem Osten:
Der Wind braust, aber der Berg steht still.
Japanisches Sprichwort
Wer weiß, der redet nicht.
Wer redet, der weiß nicht.
Laotse, Tao Te King
Auch wenn ich mich nicht sonderlich bemühe, die Disziplin des Schweigens einzuhalten, führt das Alleinleben ganz von selbst dazu, dass ich mich der Sünde des Redens enthalte.
Kamo no Chomei, japanischer Einsiedler, 12. Jahrhundert
Und hier zum Vergleich westliche Aphorismen:
Sei ein Meister der Rede, auf dass du stark sein mögest, denn die eigene Stärke liegt in der Zunge, und die Rede ist mächtiger als jeder Kampf.
Maximen des Ptahhotep, Ägypten, 3400 v. Chr.
Die Sprache ist die Gesittung selbst. Das Wort, selbst das widersprechendste Wort, ist so verbindend. Aber die Wortlosigkeit vereinsamt.
Thomas Mann, Der Zauberberg
An der Rede erkennt man den Mann.
Sprichwort
Was steht hinter diesen gegensätzlichen Haltungen? Eine mögliche Erklärung ist die weit verbreitete Verehrung für Bildung bei den Asiaten, besonders jenen aus Ländern des »Konfuzius-Gürtels«, wie China, Japan, Korea und Vietnam. Bis auf den heutigen Tag stehen in einigen chinesischen Dörfern Statuen von Studenten, die das äußerst strenge Jinshi -Examen der Ming-Dynastie vor Hunderten von Jahren bestanden. Diese Art Auszeichnung lässt sich leichter erreichen, wenn man wie einige Jugendliche in Cupertino den Sommer mit Lernen verbringt.
Eine weitere Erklärung bietet die Gruppenidentität. Viele asiatische Kulturen sind teamorientiert, aber nicht auf die Art, wie Menschen im Westen sich Teams vorstellen. Individuen in Asien betrachten sich als Teil eines größeren Ganzen – ob einer Familie, Firma oder Gemeinde – und legen sehr viel Wert auf Harmonie innerhalb ihrer Gruppe. Sie ordnen ihre eigenen Wünsche oft den Interessen der Gruppe unter und akzeptieren ihren Platz in der Hierarchie.
Die westliche Kultur ist hingegen um das Individuum herum organisiert. Wir betrachten uns als eigenständige Wesen; unsere Bestimmung besteht darin, uns zu verwirklichen, unser Glück zu suchen, frei von unangemessener Zurückhaltung zu sein und das zu tun, wofür wir und nur wir allein auf die Welt gekommen sind. Wir sind vielleicht gesellig, aber wir unterwerfen uns nicht dem Diktat der Gruppe, oder zumindest ist uns der Gedanke, es zu tun, zuwider. Wir lieben und respektieren unsere Eltern, aber wehren uns bei Vorstellungen wie Folgsamkeit gegenüber den Eltern mit ihren Implikationen von Unterwerfung und Zwang. Wenn wir uns mit anderen treffen, tun wir das als eigenständige Wesen, die mit anderen eigenständigen Wesen Spaß haben, konkurrieren, sich von ihnen abheben, um Positionen kämpfen und sie selbstverständlich auch lieben. Sogar der westliche Gott ist selbstbewusst, lautstark und dominant; sein Sohn Jesus ist freundlich und zärtlich, aber gleichzeitig auch eine charismatische Gestalt, die Einfluss auf die Massen nimmt (Jesus Christ Superstar!) .
Es ist also nachvollziehbar, dass Menschen im Westen Forschheit und verbale Fähigkeiten schätzen, Wesenszüge, die Individualität begünstigen, während Asiaten Stille, Bescheidenheit und Sensibilität hochschätzen, weil diese den Gruppenzusammenhalt fördern. Wenn man in einem Kollektiv lebt, sorgt zurückhaltendes Benehmen oder sogar Unterwerfung für einen reibungsloseren Ablauf.
Diese unterschiedlichen Einstellungen wurden sehr anschaulich in einer MRT-Studie aus jüngster Zeit demonstriert, in der Wissenschaftler 17 Amerikanern und 17 Japanern Bilder von Männern in Dominanzposen (verschränkte Arme, deutlich sichtbare Muskeln, die Beine breit auf den Boden gestemmt) und Unterwerfungsposen (hängende Schultern, die Hände schützend vor der Leistengegend, die Beine eng zusammen) zeigten. Sie stellten fest, dass die Dominanzbilder im Gehirn der Amerikaner Lustzentren aktivierten, während bei den Japanern die Unterwerfungsbilder diesen Effekt auslösten. 8
Aus westlicher Sicht kann es
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