B00B5B7E02 EBOK
Harvard-Student, stammte aus einer großbürgerlichen Familie. Eleanor war 19 und kam ebenfalls aus einer begüterten Familie, aber trotz der Missbilligung ihrer Familie engagierte sie sich für das Leiden der Armen. Als freiwillige Helferin in einem sogenannten »Settlement House«, einer Einrichtung für Hilfsbedürftige, auf der verarmten Lower East Side von Manhattan hatte sie Kinder kennengelernt, die gezwungen wurden, in Fabriken ohne Tageslicht Seidenblumen zu nähen, bis sie vor Erschöpfung umfielen. Eines Tages nahm sie Franklin mit. Er konnte nicht glauben, dass Menschen unter solch elenden Bedingungen dahinvegetierten – und dass eine junge Frau aus seiner eigenen Schicht diejenige war, die ihm die Augen für diese Seite von Amerika öffnete. Er verliebte sich auf der Stelle in sie.
Aber Eleanor war nicht die unbeschwerte, humorvolle Frau, die zu heiraten man von Franklin erwartet hatte. Ganz im Gegenteil: Sie lachte nur selten, langweilte sich bei oberflächlichen Unterhaltungen und war ernsthaft und schüchtern. Ihre Mutter, eine feinsinnige, lebhafte Aristokratin, hatte ihr den Spitznamen »Oma« gegeben. Ihr Vater, der charmante und populäre jüngere Bruder von Theodore Roosevelt, war in sie vernarrt – wenn er sie zu Gesicht bekam. Die meiste Zeit war er betrunken und starb, als Eleanor neun war. Als Eleanor Franklin kennenlernte, konnte sie nicht glauben, dass jemand wie er sich ausgerechnet für sie interessierte. Franklin war alles, was sie nicht war: forsch und beschwingt mit einem unbezähmbaren Grinsen und so locker im Umgang mit Menschen, wie sie vorsichtig war. »Er war jung, fröhlich und gut aussehend«, erinnerte sich Eleanor, »und ich war schüchtern, linkisch und aufgeregt, als er mich zum Tanzen aufforderte.«
Gleichzeitig bekam Eleanor von vielen Seiten zu hören, Franklin sei nicht gut genug für sie . Einige hielten ihn für einen Luftikus, einen mittelmäßigen Studenten und einen frivolen Herumtreiber. Und auch wenn Eleanor kein gutes Selbstbild hatte, so fehlte es ihr doch nicht an Bewunderern, die ihre Gesetztheit zu schätzen wussten. Einige ihrer Verehrer schrieben widerwillig Glückwunschbriefe an Franklin, nachdem er erfolgreich um ihre Hand angehalten hatte. »Ich hege mehr Achtung und Bewunderung für Eleanor als für irgendein Mädchen, das mir je begegnet ist«, hieß es in einem dieser Briefe. »Sie können sich sehr glücklich schätzen. Ihre zukünftige Frau ist von einer Art, wie nur wenige Männer sich rühmen dürfen, sie an ihrer Seite zu haben«, schrieb ein anderer.
Aber die öffentliche Meinung war für Franklin und Eleanor nicht ausschlaggebend. Alle beide hatten Stärken, nach denen der andere sich sehnte – ihr Mitgefühl und sein Draufgängertum. »E. ist ein Engel«, schrieb Franklin in sein Tagebuch. Als sie seinen Antrag 1903 annahm, nannte er sich selbst den glücklichsten Mann der Welt. Sie reagierte mit einer Flut von Liebesbriefen. Sie heirateten 1905 und bekamen sechs Kinder.
Es schien eine grandiose Fehlverbindung zu sein. Eleanor sehnte sich nach Nähe und ernsthaften Gesprächen; er liebte Partys, Flirts und Klatsch. Der Mann, der erklärte, er habe nichts zu fürchten als die Furcht selbst, konnte nicht verstehen, dass seine Frau mit der Schüchternheit kämpfte. Als Franklin 1913 zum Staatssekretär im Marineministerium ernannte wurde, wurde das Tempo ihres gesellschaftlichen Lebens noch hektischer und der Rahmen noch exklusiver: elitäre Privatclubs und die Herrenhäuser seiner Freunde aus Harvard. Immer öfter feierte Franklin bis spät in die Nacht, während Eleanor immer früher nach Hause ging.
Inzwischen füllte sich Eleanors Terminkalender mit gesellschaftlichen Pflichten. Man erwartete von ihr, den Ehefrauen anderer wichtiger Leute in Washington Besuche abzustatten, überall ihre Visitenkarte zu hinterlassen und selbst ein offenes Haus zu führen. Das war keine Rolle, die ihr auf den Leib geschrieben war, und deshalb stellte sie eine Sekretärin namens Lucy Mercer ein, um sie zu unterstützen. Was eine gute Idee zu sein schien – bis Eleanor 1917 den Sommer mit den Kindern in Maine verbrachte und Franklin zusammen mit Lucy Mercer in Washington zurückließ. Die beiden begannen eine Affäre, die ein Leben lang anhielt. Lucy war genau die Art von lebhafter Schönheit, die zu heiraten man von Franklin erwartet hatte.
Eleanor entdeckte Franklins Betrug, als ihr zufällig ein Päckchen mit Liebesbriefen in die Hände fiel, das
Weitere Kostenlose Bücher