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hätte sich besser gemacht mit seinem selbstbewussten Kommentar, dass es erst zu Ende ist, wenn’s ganz vorbei ist.
Ich verstand nicht, was Shiller, der nicht darin versiert war, seine Thesen in banalen prägnanten Kurzformeln auszudrücken, in einer solchen Fernsehsendung machte. Es wäre sicher töricht, sich einzubilden, dass ein irrationaler Markt nicht noch irrationaler werden kann; Shillers Ansichten zur Rationalität der Börse wurde nicht durch das Argument widerlegt, dass er in der Vergangenheit Unrecht gehabt hatte. Hier konnte ich nicht umhin, George Will als die Verkörperung zahlloser Alpträume meiner Karriere zu sehen: meine Versuche, jemanden daran zu hindern, für zehn Millionen Dollar russisches Roulette zu spielen, und zusehen zu müssen, wie George Will mich in der Öffentlichkeit zu demütigen versuchte, indem er sagte, dass es die betreffende Person ein Vermögen gekostet hätte, wenn sie auf mich gehört hätte. Darüber hinaus kam Wills Kommentar auch nicht aus heiterem Himmel; er hatte in einem Artikel Shillers »schlechte Prophezeiungen« erörtert. Diese Tendenz, Propheten je nach dem Schicksal des Rouletterades entweder in den Himmel zu heben oder zu verteufeln, ist symptomatisch für unser tief sitzendes Unvermögen, mit der komplexen Struktur des Zufalls in unserer modernen Welt umzugehen. Die Verwechslung von Prognosen und Prophezeiungen ist ein Anzeichen dafür, dass man sich vom Zufall zum Narren halten lässt (Prophezeiungen gehören in die rechte Spalte unserer Tabelle; Prognosen dagegen sind ihr Pendant in der linken Spalte).
Demütigende Debatten
Das Konzept der alternativen Historien erscheint rein intuitiv natürlich unsinnig, und genau da fängt der Spaß an. Zunächst können wir Wahrscheinlichkeiten von Natur aus nicht verstehen – eine Tatsache, die wir in diesem Buch gründlichst beleuchten werden. Lassen Sie mich an dieser Stelle nur sagen, dass Gehirnforscher glauben, dass mathematische Wahrheiten unserem Verstand wenig einsichtig erscheinen – insbesondere bei der Analyse zufälliger Resultate. Die meisten Ergebnisse der Wahrscheinlichkeitsrechnung laufen der Intuition völlig zuwider; wir werden viele davon in diesem Buch noch kennen lernen. Warum streiten wir uns dann mit Journalisten, die nur dafür bezahlt werden, dass sie die Masse mit Binsenweisheiten füttern? Ich erinnere mich, dass jedes Mal, wenn mich ein Medienvertreter (vom Schlage George Wills) in öffentlichen Diskussionen über die Börse demütigte und auf den ersten Blick einsichtigere und leichter verständliche Argumente anbot, sich später herausstellte, dass ich Recht hatte. Ich widerspreche nicht der Auffassung, dass Argumentationsketten so weit wie möglich vereinfacht werden sollten; allerdings halten viele Menschen komplexe Thesen, die nicht zu medienfreundlichen Statements vereinfacht werden können, fälschlicherweise für ein Anzeichen geistiger Verwirrung. Betriebswirtschaftlern wird das Konzept der Klarheit und Einfachheit beigebracht – die Fünf-Minuten-Manager-Perspektive. Das Konzept mag für den Geschäftsplan einer Düngerfabrik aufgehen, nicht aber bei hoch komplexen Wahrscheinlichkeitstheorien – und das ist auch der Grund dafür, wieso ich anekdotische Beweise aus meinem Berufsstand dafür liefern kann, dass Betriebswirtschaftler auf Finanzmärkten irgendwann das Schiff auf Grund setzen. Ihnen wurde nämlich beigebracht, Situationen um ein paar Grade mehr zu vereinfachen, als dies erforderlich wäre (meine Leser mit wirtschaftswissenschaftlichem Hintergrund bitte ich, keinen Anstoß an meinen Bemerkungen zu nehmen; ich habe schließlich auch selbst ein MBA-Studium absolviert).
Eine andere Art von Erdbeben
Machen Sie folgendes Experiment: Gehen Sie zum Flughafen und fragen Sie Reisende auf dem Weg zu einem entlegenen Ziel, wie viel sie für eine Versicherung zahlen würden, die beispielsweise eine Million Tugrit (die mongolische Währung) ausbezahlt, falls sie auf ihrer Reise ums Leben kommen. Fragen Sie dann eine andere Stichprobe von Reisenden, wie viel sie für eine Versicherung zahlen würden, die eine solche Summe im Falle ihres Todes durch einen terrorististischen Anschlag (und nur in diesem Fall) bezahlen würde. Wofür würden die Leute Ihrer Meinung nach einen höheren Preis bezahlen? Wahrscheinlich würden sie eher die zweite Police kaufen (obwohl die erste Versicherung den Tod aufgrund eines Terroranschlages mit einschließt). Die Psychologen Daniel Kahneman
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