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leicht vorstellbar ist, lässt sich einfach ausdrücken,
und die richtigen Worte dafür fallen einem mühelos ein.
Der Leser kann sich sicher vorstellen, wie enttäuscht ich war, als ich mich in meinem Erwachsenendasein der Zufallslehre verschrieb und feststellen musste, dass die poetischsten Sprüche einfach falsch sind. Geborgte Weisheit kann fatale Folgen haben. Ich muss mich sehr anstrengen, mich nicht von wohlklingenden Formulierungen überzeugen zu lassen. In solchen Fällen denke ich an Einsteins Bemerkung, dass der gesunde Menschenverstand nichts anderes sei als eine Sammlung irriger Annahmen, zu denen man im Alter von 18 Jahren gelangt sei. Damit nicht genug: Was in einem Gespräch oder einem Meeting – oder insbesondere auch in den Medien – intelligent klingt, ist verdächtig.
Wer sich mit der Wissenschaftsgeschichte beschäftigt, wird bald feststellen, dass fast alle schlauen Ideen, die sich wissenschaftlich beweisen ließen, bei ihrer ersten Entdeckung völlig überspannt klangen. Man versuche, einem Journalisten der London Times im Jahre 1905 zu erklären, dass sich die Zeit beim Reisen verlangsamt (selbst das Nobelpreis-Komitee gewährte Einstein niemals einen Preis für seine Erkenntnisse zur besonderen Relativität). Oder probieren Sie, Menschen, die noch nie etwas mit Physik zu tun hatten, zu erklären, dass es Orte in unserem Universum gibt, wo die Zeit nicht existiert. Oder versuchen Sie, Kenny klar zu machen, dass der Star unter seinen Börsenhändlern sich zwar als äußerst erfolgreich »erwiesen« hat, ich aber genügend Beweise vorbringen kann, dass er ein gefährlicher Idiot ist.
Risikomanager
Wirtschaftsunternehmen und Finanzinstitute haben in letzter Zeit die merkwürdige Position eines Risikomanagers geschaffen, der über die Organisation wachen und sicherstellen soll, dass sie nicht zu viel russisches Roulette spielt. Nachdem sie sich mehrfach die Finger verbrannt haben, sehen sie eindeutig genug Anreize dafür, jemanden den Generator analysieren zu lassen – das Rouletterad, das Gewinne und Verluste erzeugt. Obwohl der Wertpapierhandel mehr Spaß macht, fühlten sich viele äußerst kluge Leute aus meinem Bekanntenkreis (darunter auch Jean-Patrice) von diesen Positionen angezogen. Wichtig und attraktiv dabei ist die Tatsache, dass der durchschnittliche Risikomanager mehr verdient als der durchschnittliche Händler (insbesondere, wenn wir berücksichtigen, wie viele Händler aus diesem Berufsstand hinausgeworfen werden: Während die Überlebensquote über zehn Jahre bei einem Börsenhändler im einstelligen Bereich liegt, sind es bei Risikomanagern an die 100 Prozent). »Händler kommen und gehen, Risikomanager bleiben.« Ich erwäge immer wieder, eine solche Position anzunehmen, sowohl aus wirtschaftlichen Gründen (da sie aus probabilistischer Sicht lukrativer ist) als auch weil die Jobangebote intellektuell gehaltvoller sind als reines Kaufen und Verkaufen und einem die Integration von Recherche und Ausführung ermöglichen. Schließlich enthält das Blut eines Risikomanagers geringere Mengen schädlicher Stresshormone. Irgendetwas hat mich jedoch davon abgehalten, abgesehen von den irrationalen Wünschen, die Schmerzen und den Spaß zu erleben, die von den mit der Spekulation verbundenen Emotionen hervorgerufen werden. Die Position eines Risikomanagers mutet merkwürdig an: Wie wir gesehen haben, können wir den Generator der Realität nicht beobachten. Die Macht der Risikomanager, profitable Händler daran zu hindern, Risiken einzugehen, ist begrenzt, da ihnen im Nachhinein Menschen wie George Will vorwerfen würden, sie hätten nur hohe Opportunitätskosten für die Aktionäre verursacht. Andererseits müssten die Risikomanager bei einem Fiasko die Verantwortung für die missliche Lage übernehmen. Was kann man unter solchen Umständen tun?
Der Schwerpunkt der Risikomanager verlagert sich also auf rein unternehmenspolitische Spielchen; sie schützen sich durch vage formulierte interne Mitteilungen, die vor der Risikoübernahme warnen, sie aber nicht völlig verurteilen – aus Furcht, ihren Job zu verlieren. Wie ein Arzt, der zwischen zwei Fehlern hin- und hergerissen ist, nämlich falschen positiven Ergebnissen (bei denen er einem Patienten eröffnet, dass er Krebs hat, obwohl das in Wahrheit gar nicht zutrifft) und dem falschen negativen Ergebnis (wenn er einem Patienten sagt, er sei gesund, während er in Wahrheit an Krebs leidet), müssen die Risikomanager ihre
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