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Titel: B00BOAFYL0 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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lesen, ohne die Schlussfolgerungen in Frage zu stellen: Wir wissen, dass die Vorhaben Hannibals und Hitlers Wahnsinn waren, weil die Römer heute nicht phönizisch sprechen und am New Yorker Times Square keine Hakenkreuze prangen. Was aber ist mit all den anderen Generälen, die genauso wahnwitzig waren, aber am Ende in ihrem Krieg siegten – und folglich auch die Anerkennung der Geschichtschronisten einheimsten? Es fällt schwer, sich Alexander den Großen oder Julius Cäsar als Männer vorzustellen, die nur in ihren sichtbaren Historien siegreich waren, aber in anderen alternativen Geschichtsläufen Niederlagen erlitten hätten. Wenn wir von ihnen gehört haben, dann einfach nur deswegen, weil sie wie tausend andere auch gewaltige Risiken eingingen und zufällig siegten. Sie waren intelligent, mutig und edel (bisweilen) und gehörten zu den kultiviertesten Menschen ihrer Zeit – aber das gilt auch für Tausende andere, die in muffige Fußnoten der Geschichte verbannt wurden. Auch hier leugne ich nicht, dass sie ihre Kriege gewannen – ich wende mich lediglich gegen Behauptungen zur Qualität ihrer Strategien. (Als ich unlängst zum ersten Mal in meinem Erwachsenendasein die Ilias wieder las, war mein erster Eindruck, dass der epische Dichter seine Helden nicht nach ihrem Ergebnis beurteilte: Helden gewannen und verloren Schlachten auf eine Art und Weise, die in keinerlei Zusammenhang mit ihrer eigenen Beherztheit stand; ihr Schicksal hing rein von externen Kräften ab, in der Regel von den bewussten Machenschaften Ränke schmiedender Götter [für die Nepotismus kein Fremdwort war]. Ein Held wird man durch heroische Taten, nicht durch Siege oder Niederlagen. Patrokles gilt nicht wegen seiner Leistungen als Held [er fand bald den Tod], sondern weil er es vorzog zu sterben, anstatt Achilles zuzusehen, wie dieser untätig schmollte. Die epischen Dichter kannten sich eindeutig mit unsichtbaren Historien aus. Auch spätere Dichter und Denker hatten elaboriertere Methoden zum Umgang mit dem Zufall, wie wir später noch im Zusammenhang mit dem Stoizismus sehen werden.)
    Wenn ich mir anhöre, was die Medien von sich geben, kann es gelegentlich vorkommen, dass ich aus meinem Sessel aufspringe und meinen Emotionen vor den bewegten Bildern Luft mache. Das liegt größtenteils daran, dass ich das Fernsehen nicht gewohnt bin (ich wuchs ohne Fernseher auf und lernte die Bedienung eines solches Gerätes erst, als ich bereits Ende Zwanzig war). Ein Beispiel für die gefährliche Weigerung, sich alternative Historien anzusehen, liefert das Medieninterview, das der Journalist George Will, ein »Kommentator«, der stets ausgiebig seine eigene Meinung einfließen lässt, mit Professor Robert Shiller führte. Die Öffentlichkeit kennt Shiller als Autor des Bestsellers Irrationaler Überschwang (Irrational Exuberance); Eingeweihte schätzen ihn jedoch wegen seiner außergewöhnlichen (und mit mathematischer Präzision ausgedrückten) Erkenntnisse über die Struktur des Zufalls und der Volatilität an der Börse.
    Dieses Interview veranschaulicht die destruktiven Aspekte der Medien, die sich nach unserem stark verzerrten so genannten gesunden Menschenverstand und unseren Vorurteilen richten. Man sagte mir, George Will sei sehr berühmt und angesehen (für einen Journalisten). Er könnte sogar ein Mensch von höchster intellektueller Integrität sein, doch sein Beruf verlangt von ihm nur, für die Masse der Bevölkerung klug und intelligent zu klingen. Shiller dagegen versteht den Zufall wie kaum ein anderer; er ist darin geschult, mit strengen Argumentationen zu antworten, wirkt in der Öffentlichkeit allerdings weniger geistreich, weil sein Thema der Intuition stark widerspricht. Shiller hatte schon seit langem darauf hingewiesen, dass der Aktienmarkt überbewertet sei. George Will unterstellte ihm, dass Menschen Geld verloren hätten, wenn sie in der Vergangenheit auf ihn gehört hätten, da sich die Börsenkurse mehr als verdoppelt hätten, seit er mit seinen Unkenrufen begann. Auf dieses journalistische und gut klingende (aber unsinnige) Argument erwiderte Shiller, dass er darauf keine andere Antwort wisse als die Erklärung, dass man der Tatsache keine ungebührliche Bedeutung beimessen sollte, dass er auf einem einzigen Finanzmarkt Unrecht gehabt habe. Als Wissenschaftler sah sich Shiller nicht als Prophet – oder als einer der Unterhaltungskünstler, die in den Abendnachrichten das Börsengeschehen kommentieren. Yogi Berra

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