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Titel: B00BOAFYL0 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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er sich nicht die Bohne, und er kam selten vor zwölf Uhr zur Arbeit – obwohl ich mit Fug und Recht behaupten kann, dass er an den unwahrscheinlichsten Orten seinen Geschäften nachging. Er weckte mich häufig noch um drei Uhr morgens mit Anrufen aus Regine’s, einem exklusiven New Yorker Nachtclub, um irgendein kleines (und irrelevantes) Detail meiner Risikopositionen mit mir zu diskutieren. Obwohl er etwas zur Korpulenz neigte, schienen Frauen ihn unwiderstehlich zu finden; häufig verschwand er mittags und war stundenlang nicht erreichbar. Vielleicht profitierte er ja von der Tatsache, dass er ein Franzose in New York mit festen Badegewohnheiten war. Einmal lud er mich ein, ein dringliches geschäftliches Problem mit ihm zu besprechen. Wie so typisch für ihn, fand ich ihn am helllichten Nachmittag in einem merkwürdigen »Club« in Paris, den kein Namensschild kennzeichnete. Dort saß er vor einem mit Papieren übersäten Tisch, nippte an einem Glas Champagner und ließ sich von zwei freizügig gekleideten jungen Damen gleichzeitig streicheln. Seltsamerweise bezog er die beiden in das Gespräch mit ein, als würden sie an diesem Meeting teilnehmen. Er ließ sogar eine der beiden Damen Anrufe auf seinem unaufhörlich klingelnden Handy entgegenehmen, da er unser Gespräch nicht unterbrechen wollte.
    Ich bin immer noch verblüfft über die Besessenheit dieses extravagenten Mannes von Risiken, die er ständig vor seinem geistigen Auge durchspielte – er dachte buchstäblich an alles, was möglicherweise geschehen könnte. Er zwang mich, einen Alternativplan aufzustellen für den Fall, dass ein Flugzeug in unser Bürogebäude stürzte (lange vor den Ereignissen vom September 2001) – und tobte, als ich ihm antwortete, unter solchen Umständen würde mich der finanzielle Zustand seiner Abteilung herzlich wenig interessieren. Er hatte einen schrecklichen Ruf als Frauenheld und war ein unberechenbarer Chef, der einen Mitarbeiter aus einer Laune heraus feuern konnte – und dennoch hörte er mir zu, verstand jedes Wort von dem, was ich sagte, und ermutigte mich, in meinem Studium des Zufalls noch einen Schritt weiter zu gehen. Er brachte mir bei, in jedem Portfolio die unsichtbaren Selbstzerstörungsrisiken zu suchen. Nicht zufällig hatte er einen gewaltigen Respekt vor der Naturwissenschaft und brachte Wissenschaftlern einen geradezu unterwürfigen Respekt entgegen; etwa zehn Jahre nach unserer Zusammenarbeit tauchte er unvermittelt während der Erörterung meiner Dissertation auf und lächelte mir von den hinteren Reihen aus zu. Während Kenny wusste, wie man die Leiter einer Organisation erklimmt und eine hohe Position in der Firma erreicht, bevor er geschasst wurde, hatte Jean-Patrice in seiner Karriere weniger Glück – ein Umstand, der mich reifen Finanzinstituten gegenüber misstrauisch werden ließ.
    Für viele selbst erklärte »fundamental orientierte« Menschen kann es bestürzend sein, wenn man sie nach Historien befragt, die nicht eingetreten sind, anstatt nach dem, was tatsächlich passiert ist. Einer nüchternen Person, auf die das Etikett »erfolgreich im Geschäft« passt, werden meine Formulierungen (und vermutlich auch einige meiner Wesenszüge) sonderbar und unverständlich erscheinen. Zu meiner Belustigung fühlen sich viele durch meine Argumentationen gekränkt.
    Die Gegensätze zwischen Kenny und Jean-Patrice sind nicht einfach nur ein zufälliges Zusammentreffen, dessen Zeuge ich im Laufe einer längeren Karriere wurde. Hüten Sie sich vor den verschwenderischen Menschen mit »betriebswirtschaftlichem Denken«; auf dem Börsenfriedhof findet man überdurchschnittlich viele, die sich nach eigener Aussage als »rein gewinnorientiert« bezeichnen. Sie spielen sich zwar normalerweise wie die Herren des Universums auf, werden aber plötzlich blass und bescheiden und beginnen unter Hormonmangel zu leiden, wenn sie zur üblichen Verhandlung über den Abfindungsvertrag in die Personalabteilung gebeten werden.

George Will ist kein Solon: über Wahrheiten, die der Intuition widersprechen
    Realismus kann gnadenlos sein. Probabilistische Skepsis ist noch schlimmer. Sich mit einer Wahrscheinlichkeitsbrille auf der Nase im Leben zurechtzufinden fällt schwer, da man an allen Ecken und Enden in einer Vielzahl von Situationen Narren des Zufalls zu entdecken beginnt, die hartnäckig auf der von ihnen wahrgenommenen Illusion beharren. Zunächst einmal ist es unmöglich, die Analyse eines Historikers zu

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