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glauben vielmehr, die Börse müsse sich an ihren Wertmaßstab anpassen. Sie können Recht behalten, doch hätten sie unter Umständen die Möglichkeit in Betracht ziehen sollen, dass ihre Methoden fehlerhaft waren – und genau das taten sie nicht. Trotz all seiner Fehler werden wir sehen, dass Soros kaum jemals ein ungünstiges Ergebnis analysiert, ohne den eigenen Analyserahmen auf den Prüfstein zu stellen.
Leugnen. Als die Verluste eintraten, wollten sie nicht so recht wahrhaben, was geschah. Der Kurs auf dem Bildschirm verlor seinen Realitätsbezug gegenüber einem abstrakten »Wert«. Bei diesem Versuch, die Augen vor der Wahrheit zu verschließen, wurde die übliche Ausrede angeboten: »Das ist nur das Ergebnis einer Liquidation, eines Notverkaufs.« Sie ignorierten beharrlich die wahre Botschaft.
Wie konnten Händler, die jeden Fehler begingen, den man sich nur vorstellen kann, so erfolgreich werden? Wegen eines einfachen Grundsatzes, der für zufällige Ereignisse gilt. Er manifestiert sich im »Survivor Bias«. Wir neigen zu dem Glauben, dass Händler erfolgreich waren, weil sie gut sind. Dabei stellen wir möglicherweise die Kausalbeziehung auf den Kopf; wir halten sie für gut, nur weil sie Geld verdienen. An der Börse kann man aus purem Zufall Gewinne erzielen.
Sowohl Carlos als auch John gehören zu der Gruppe Menschen, die von einem Marktzyklus profitiert haben. Es lag nicht nur daran, dass sie sich die richtigen Märkte ausgesucht hatten. Sie hatten auch ihren Ansatz so hingebogen, dass er sehr gut zu den Eigenschaften der Rallye passte, die ihre Märkte zu jener Zeit erlebten. Sie kauften bei Kursrückgängen. Das war rückblickend betrachtet zwischen 1992 und dem Sommer 1998 in den Märkten, auf die sich diese Männer spezialisiert hatten, die erstrebenswerteste Eigenschaft. Die meisten Händler, die zufällig während dieses Abschnitts in der Börsengeschichte diesen speziellen Wesenszug besaßen, gaben auf dem Markt den Ton an. Sie erhielten bessere Beurteilungen und ersetzten somit andere, die möglicherweise bessere Händler waren.
Naive Evolutionstheorien
Die Geschichten von Carlos und John veranschaulichen, wie schlechte Händler auf kurze und mittelfristige Sicht guten Händlern gegenüber einen Überlebensvorteil haben. Lassen Sie uns dieses Argument jetzt auf allgemeinerer Ebene anwenden. Wer Darwins Selektionslehre verwirft, ist entweder blind oder ein Narr. Allerdings hat die Einfachheit dieses Konzepts gewisse Gruppen von Amateuren (sowie eine Hand voll professioneller Wissenschaftler) zu dem blinden Glauben an immer währenden und unfehlbaren Darwinismus auf allen Gebieten, einschließlich der Wirtschaft, verleitet.
Der Biologe Jacques Monod beklagte vor einigen Jahrzehnten, dass sich alle für Experten in Sachen Evolution halten (das Gleiche könnte man auch über die Börse sagen). Heute ist das sogar noch schlimmer geworden. Viele Amateure glauben, die Fortpflanzung von Pflanzen und Tieren sei eine Einbahnstraße, die zur Vollkommenheit führt. Diesen Gedanken übertragen sie auch auf das soziale Umfeld und meinen daher, dass Firmen und Organisationen dank des Wettbewerbs (und der Disziplin, die ihnen Quartalsberichte auferlegen) unweigerlich immer besser würden. Die Stärksten werden überleben; die Schwächsten aber aussterben. Was Anleger und Börsenhändler anbelangt, so glauben die Verfechter dieser Lehre, dass man sie nur im Wettbewerb gegeneinander antreten lassen muss und schon werden die Besten blühen und gedeihen, während die Schlechtesten einen neuen Beruf erlernen müssen (beispielsweise Tankstellenpächter oder manchmal auch Zahnarzt).
So einfach liegen die Dinge aber nicht. Lassen wir einmal den grundsätzlichen Missbrauch der darwinistischen Lehre beiseite, der aus der Tatsache resultiert, dass sich Organisationen nicht wie Lebewesen fortpflanzen (Darwins Theorie bezieht sich auf die Eignung zur Fortpflanzung, nicht aufs Überleben). Wie bei allen anderen in diesem Buch erörterten Aspekten ist auch dieses Problem auf den Zufall zurückzuführen. Zoologen haben festgestellt, dass die Einführung des Zufalls in ein System zu sehr überraschenden Ergebnissen führen kann: Was eine Weiterentwicklung zu sein scheint, könnte lediglich eine Verirrung oder möglicherweise ein Rückschritt sein. So nannte beispielsweise Steven Jay Gould (dem vorgeworfen wurde, sich eher auf die Popularisierung von Ideen als auf echte Wissenschaft zu verstehen) eine Vielzahl von
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