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Titel: B00BOAFYL0 EBOK Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nassim Nicholas Taleb
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mehrfachen Hochschulabschlüssen (wenngleich zugegebenermaßen in Betriebswirtschaftslehre), denen dieser Unterschied partout nicht eingängig ist.
    Wie können sie das nicht einsehen? Wieso verwechseln sie Wahrscheinlichkeit und Erwartung, also Wahrscheinlichkeit einerseits und Wahrscheinlichkeit mal Auszahlungsbetrag andererseits? Dies liegt in erster Linie daran, dass sie in ihrer Ausbildung Beispiele aus symmetrischen Umgebungen kennen gelernt haben, wie Münzenwerfen, bei denen dieser Unterschied keine Rolle spielt. Auch die Glockenkurve der Gauß’schen Normalverteilung, die offenbar allgemein in der Gesellschaft verwendet wird, ist vollkommen symmetrisch. Mehr dazu später.

Eine kleine Zoologie von Bullen und Bären
    Die allgemeine Presse überflutet uns mit Konzepten wie Bullen und Bären, um die Auswirkungen steigender Kurse (die Domäne der Bullen) oder fallender Kurse (das Jagdrevier der Bären) zu umschreiben. Manchmal werden entsprechende Bilder auch auf Personen bezogen. »Johnny ist ein Bulle «, oder »Dieser Nassim da hinten, der mir so undurchsichtig erscheint, ist ein typischer Bär « sind Sätze, die man manchmal (speziell in Börsenkreisen) hört. Ich muss sagen, dass die vielen Metaphern aus dem Tierreich, die mit Bullen oder Bären gebildet werden, häufig leeres Wortgeplänkel sind, das sich nicht auf eine vom Zufall regierte Welt anwenden lässt – insbesondere wenn diese, wie die unsere, zu asymmetrischen Ergebnissen führt.
    Als ich im New Yorker Büro einer großen Investmentgesellschaft arbeitete, musste ich gelegentlich die lästigen wöchentlichen »Diskussionsrunden« über mich ergehen lassen, bei denen sich die meisten Spezialisten im New Yorker Trading Room trafen. Ich will nicht verhehlen, dass ich kein Freund solcher Zusammenkünfte war – und das nicht nur, weil sie mir Zeit stahlen, die ich im Fitnessstudio hätte verbringen können. Zu den Teilnehmern dieser Meetings gehörten zwar Händler, also Menschen, die an ihrer quantifizierbaren Leistung gemessen wurden, doch waren sie hauptsächlich ein Forum für Verkäufer (Menschen, die Kunden bezirzen konnten) sowie für jene Entertainer, die an der Börse »Volkswirte« oder »Strategen« genannt werden. Letztere verkünden Prophezeiungen bezüglich des Schicksals der Finanzmärkte, gehen aber keinerlei Risiken ein, und ihr Erfolg wird an der Qualität ihrer Rhetorik, nicht an tatsächlich nachprüfbaren Fakten gemessen. In diesen Diskussionen sollten die Beteiligten ihre Meinung zur Weltlage vorstellen. Meiner Ansicht nach waren diese Meetings reine intellektuelle Umweltverschmutzung. Alle hatten eine »Story«, eine Theorie und Erkenntnisse, die sie anderen nahe bringen wollten. Ich kann Menschen nicht ausstehen, die ohne vorherige gründliche Bibliotheksrecherche glauben, sie könnten etwas ausnehmend Originelles oder Scharfsinniges zu einem bestimmten Thema beisteuern. (Andererseits bewundere ich Menschen mit wissenschaftlichem Verstand, wie meinen Freund Stan Jonas, die nicht anders können, als sich die Nächte um die Ohren zu schlagen, um alles zu lesen, was sie zu einem Thema auftreiben können, weil sie unbedingt wissen möchten, was andere darüber denken, bevor sie ihre eigene Meinung äußern. Was würden Sie denn von der Diagnose eines Arztes halten, der keine medizinischen Fachpublikationen liest?)
    Ich muss gestehen, dass meine optimale Strategie bei diesen Sitzungen (um meine Langeweile und meine allergische Reaktion auf dünkelhafte Plattitüden zu lindern) darin bestand, so viel wie möglich zu reden und dann möglichst zu vermeiden, mir die Anworten anderer anzuhören, indem ich währenddessen im Kopf Gleichungen löste. Das Wort an mich zu reißen half mir, meine Gedanken zu ordnen, und mit ein bisschen Glück würde man mich in der nächsten Woche nicht mehr »einladen« (also nicht mehr zur Teilnahme zwingen).
    Einmal wurde ich bei einer dieser Veranstaltungen gebeten, meine Ansichten zum Aktienmarkt zu erläutern. Ich erklärte etwas hochtrabend, dass ich glaubte, die Aktienkurse würden in der kommenden Woche mit hoher Wahrscheinlichkeit steigen. Wie hoch sei diese Wahrscheinlichkeit, fragte man mich. »Etwa 70 Prozent.« Das war eindeutig eine sehr starke Meinung. An dieser Stelle warf jemand ein: »Aber Nassim, du hast doch eben erst damit geprahlt, dass du Short-Positionen für eine große Anzahl von S&P-500-Terminkontrakten eingegangen bist und hast somit auf fallende Kurse gesetzt. Wieso hast du

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