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häufige emotionale Auswirkung des Survivor Bias. Janet hat das Gefühl, dass ihr Mann im Vergleich zu anderen ein Versager ist, aber bei der Berechnung der Wahrscheinlichkeiten unterläuft ihr dabei ein grober Fehler – sie verwendet bei der Bestimmung der Rangfolge die falsche Verteilung. Im Vergleich zur amerikanischen Bevölkerung insgesamt ist Marc extrem erfolgreich – es geht ihm besser als 99,5 Prozent seiner Landsleute. Auch im Vergleich zu seinen High-School-Freunden schneidet er ausnehmend gut ab – wovon er sich mit eigenen Augen hätte überzeugen können, wenn er die Zeit gehabt hätte, die regelmäßigen Klassentreffen zu besuchen. Er würde in dieser Gruppe nämlich an der Spitze liegen. Er übertrifft 90 Prozent seiner Kommilitonen aus seiner College-Zeit in Harvard (in finanzieller Hinsicht natürlich). Er ist erfolgreicher als 60 Prozent seiner Mitstudenten an der Yale Law School. Aber im Vergleich zu den Nachbarn in dem Haus an der Park Avenue steht er an letzter Stelle! Der Grund: Er hat sich zwischen Menschen niedergelassen, die ungeheuer erfolgreich sind und in einer Gegend wohnen, wo es nur Sieger gibt. Mit anderen Worten: Diejenigen, die schlechter abschneiden, tauchen in der Stichprobe nicht auf, so dass es den Anschein hat, als habe er überhaupt nichts erreicht. Wenn man an der Park Avenue wohnt, trifft man keine gescheiterten Existenzen, sondern nur Siegertypen. Da wir von Natur aus dafür geschaffen sind, in kleinen Gemeinschaften zu leben, fällt es uns schwer, unsere Situation außerhalb der eng gezogenen geografischen Grenzen unseres Lebensraumes zu beurteilen. Bei Marc und Janet führt dies zu beträchtlichen emotionalen Qualen: Hier sehen wir eine Frau, die einen äußerst erfolgreichen Mann geheiratet hat, aber nichts anderes sehen kann als sein relatives Versagen, denn sie kann ihn gefühlsmäßig nicht mit einer Stichprobe vergleichen, die seine Leistung im richtigen Licht erscheinen lassen würde.
Abgesehen von der verzerrten Wahrnehmung der eigenen Leistung entsteht ein sozialer Tretmühleneffekt: Man wird reich, zieht in eine wohlhabende Nachbarschaft, und dadurch wird man wieder arm. Hinzu kommt noch die psychologische Tretmühlenwirkung: Man gewöhnt sich an den Reichtum und fällt auf ein festes Niveau der Zufriedenheit zurück. Dieses Problem, nämlich dass Wohlstand (ab einem gewissen Punkt) manche Menschen niemals wirklich zufrieden stellt, wurde zum Gegenstand fachlicher Diskussionen über das Glück.
Ein rational denkender Mensch würde zu Janet sagen: »Lesen Sie dieses Buch mit dem Titel Narren des Zufalls von irgend so einem mathematisch orientierten Börsenhändler über die Verzerrungen, die der Zufall im Leben hervorruft. Es würde Ihnen helfen, Ihre Situation nüchtern aus statistischem Blickwinkel zu betrachten, und dann würden Sie sich auch besser fühlen.« Als Autor würde ich gerne ein Allheilmittel für 29,90 Euro bieten, kann aber wohl höchstens darauf hoffen, Janet vielleicht eine Stunde lang Trost zu spenden. Ihr kann unter Umständen nur eine drastischere Maßnahme Erleichterung verschaffen. Wie ich schon mehrfach betonte, ist rationales Denken oder ein Abschütteln sozialer Beleidigungen der menschlichen Rasse nicht angeboren – zumindest nicht bei unserer derzeitigen biologischen Ausstattung. Vernünftige Beweisführung bietet keinen Trost – als Börsenhändler kenne ich mich mit fruchtlosen Versuchen aus, gegen den Strich zu argumentieren. Ich würde Janet raten, sich eine Wohnung in irgendeinem Arbeiterviertel zu suchen, wo sie sich von ihren Nachbarn weniger gedemütigt fühlen und in der Hackordnung über ihre Erfolgswahrscheinlichkeit hinaus aufsteigen würde. Dann könnte sie sich die Verzerrung in der entgegengesetzten Richtung zunutze machen. Wenn Janet Wert auf Status legt, würde ich ihr sogar empfehlen, in einen der großen Wohnblocks zu ziehen.
Doppelter Survivor Bias
Noch mehr Experten
Vor kurzem las ich den amerikanischen Bestseller The Millionaire Next Door (Der Millionär nebenan), ein sehr irreführendes (aber beinahe vergnügliches) Werk zweier so genannter »Experten«, dessen Autoren versuchen, Eigenschaften herauszuarbeiten, die reiche Leute auszeichnen. Sie untersuchten eine Gruppe heute sehr wohlhabender Personen und stellten fest, dass kaum einer davon ein verschwenderisches Leben führt. Sie nennen diese Menschen »Akkumulierer«, die zum Konsumverzicht bereit seien, um ein Vermögen anzusammeln. Der Charme
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