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Hugo das Wort. „Ich gebe dir zwanzig Euro und du sagst mir wo der Typ ist. Okay?“
„ Klaro Chef!“, pariert der Penner und führt uns zu einem Lagerfeuer, an dem noch weiter Exemplare ähnlicher Ausführung sitzen, wobei einer davon hastig die Flucht ergreift, als er mich sieht.
Ich erkenne den Ausreißer sofort. Es ist der Zahnlose, dem ich blitzartig hinterher spurte. Er kommt nicht weit, da er besoffen ist. Ich packe ihn am Ärmel und halte ihn fest.
„ Sag mir wo dein Kollege ist, sonst bringe ich dich um!“, brülle ich ihn an und halte ihm die Gaspistole von Hugo an die Schläfe.
Der Zahnlose gibt keine Antwort, sondern lässt sich röchelnd zu Boden fallen.
„Bitte sag’s mir“, flehe ich.
„ Das Geld habe ich aber nicht mehr! Das … das hat mir der da geklaut, das kannst du mir glauben!“
Dabei verweißt er mit seiner Hand auf einen Bauwagen, der aussieht wie das Eigenheim der Hexe BabaJaga . Da er keine Räder mehr besitzt und stattdessen mit dünnen Eisenstäben abgestützt ist, die aussehen wie Hühnerbeine. Ich lass den Zahnlosen liegen und laufe schnurstracks zu den Wagen hinüber. Erst klopfe ich leise an die Tür, aber da niemand reagiert und laut Aussage des Zahnlosen, jemand da sein muss, trommle ich panisch mit der Faust dagegen.
„ Thomas, mach auf! Bitte mach auf“, wimmere ich, bis die Tür vorsichtig aufgeschlossen wird und mich Thomas schlaftrunken anblinzelt.
„ Was willst du?“, brummt er grimmig.
„ Bitte lass uns reden, bitte, … es geht um mich, nein, … um dich und Rosalie, nein, eigentlich um uns alle!“, stottere ich aufgeregt.
Ich bin völlig verwirrt. Einerseits bin ich heilfroh, ihn endlich gefunden zu haben und wäre ihm am liebsten um den Hals gefallen, andererseits habe ich Angst von ihm abgewiesen zu werden.
„Komm rein!“, befiehlt er und schließt die Tür hinter uns ab.
Er sammelt einige Kleidungsstücke auf, die verstreut auf seinem Bett herumliegen und bietet mir Platz an, bevor er beginnt Kaffee zu kochen. Ich sage kein Wort, sondern beschränke mich darauf, meine unmittelbare Umgebung zu erfassen. Seine Unterkunft wirkt spärlich und improvisiert, aber keineswegs verwahrlost, stelle ich erleichtert fest.
„Du hast vorhin etwas von Rosalie angedeutet“, hakt er nach, während er zwei Tassen und eine abgegriffene Keksbüchse auf den Tisch stellt und mich forschend ansieht.
„ Sie liebt dich noch“, entgegne ich ohne Umschweife und lauere auf seine Reaktion.
„ Ich sie auch“, erwidert er gebrochen.
Ich bin glücklich, dass er das sagt und sehe, wie ein verunsichertes Lächeln sein Gesicht erhellt . Jedoch zu meinem Bedauern merklich entschlossener erlischt, als es aufflackerte.
„ Ich habe sehr oft in den letzten Jahren an sie gedacht und immer wieder bereut, sie so enttäuscht zu haben. Aber ich war damals zu jung. Jetzt wo ich älter bin, weiß ich, was ich verloren habe. Aber wie du siehst, habe ich meine Strafe erhalten“, klagt er verbittert.
Er steht auf und stützt erschöpft seine Arme auf das kleine Spülbecken ab und senkt den Kopf. Obwohl er mir den Rücken zugedreht hat, entgeht mir nicht, dass er leise vor sich hinweint.
„Was ist geschehen? Warum dieser Abstieg?“, frage ich behutsam.
Es dauert eine ganze Weile, bis er sich gesammelt hat . Sich unauffällig die Tränen aus dem Gesicht wischt, sich wieder an den klapprigen Campingtisch setzt und sich mir anvertraut.
Ich erfahre, von dem tragischen Schicksal, das ihn schlagartig aus seinem unbeschwerten Leben herausgerissen hat. Von jenem Tag, als er mit seiner damaligen Freundin, nach einer feuchtfröhlichen Party , nach Hause fuhr. Er hatte einiges an Alkohol getrunken, zu wenig, um es ihm anzumerken. Aber zu viel, um noch aufs Motorrad zu steigen. Die Warnungen seiner Freundin schenkte Thomas keine Beachtung, so dass sie nach längerem Zögern, seinen Verharmlosungen vertraute.
„ Es geschah in einer Linkskurve … ich war zu schnell, die Straße ziemlich eng und nass vom Regen. Ich glitt auf die Gegenfahrbahn … und dann kam mir dieses kleine Auto entgegen, das mir nicht mehr ausweichen konnte ... meine Freundin prallte auf die Windschutzscheibe des Autos und ich wurde von der Straße geschleudert. Meine Freundin war sofort tot, die junge Autofahrerin schwer verletzt. Es geschah alles furchtbar schnell. Keine Schreie, nichts. Nur das Quietschen der Reifen und dieser plumpe Schlag.“
Für einen Moment hält Thomas inne und hängt seinen Gedanken
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