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mitgebrachten Alditüte verstaut. Der andere Herr, hat meiner Einschätzung nach, erst die Vorstufe des Pennerdaseins erklommen. Denn er sieht wesentlich zivilisierter aus, wenn man mal von dem modrigen Geruch absieht, den er absorbiert. Wortlos legt er mir meine Handtasche auf mein Bett, die ich sofort an mich reiße und sie nach ihrem ordnungsgemäßen Zustand überprüfe. Alles ist noch da. Mein Handy, die Kreditkarten, die fünhundert Euro Bargeld und sogar mein Hubba-Bubba Kaugummi.
„ Ihr seid also meine Lebensretter?“, seufze ich naserümpfend.
„ Hoffentlich habt ihr kein Viehzeug“, fahre ich fort und mustere den Zahnlosen skeptisch.
Der versucht meine Bedenken zu zerstreuen, indem er energisch mit dem Kopf schüttelt . Wogegen der andere abweisend reagiert und sich teilnahmslos an die Wand lehnt.
„ ...’schuldigung, war nicht so gemeint“, murmle ich gütlich und krame zwei Hundert Euro Scheine aus meiner Tasche hervor, die ich wie einen Köder auf meiner Bettdecke auslege.
„ Hier, das ist euer Finderlohn“, sage ich mit gönnerhafter Miene.
Der Zahnlose zaudert nicht lange und grabscht sich den Schein von der Decke . Wogegen der andere immer noch reserviert an der Wand steht und mich misstrauisch studiert. Er hat seine Hände in den Hosentaschen verstaut und tut so, als wäre ihm das Geld gleichgültig.
„ Brauchst du kein Geld?“, locke ich ihn aus der Reserve und strecke ihm den Schein auffordernd entgegen, aber er nimmt ihn nicht an.
„ Willst du mehr?“, frage ich, hole einen weiteren Schein aus meiner Tasche und wedele damit, als wäre es eine Wurst, mit der ich mir einen Hund gefügig machen will.
Der Fremde lächelt verhalten und wirft mir einen tiefsinnigen Blick zu, der mich auf unerklärliche Weise berührt. Ich zögere für einen Moment und versuche , anhand seines Äußeren seine seltsame Zurückhaltung zu entschlüsseln. Obwohl seine dunklen Augen müde erscheinen, ist doch ein klarer Blick zu erkennen, der auf einen wachen Geist schließt. Der Mann verunsichert mich zunehmend. Man sieht ihm an, dass er kein Alkoholiker ist und sein ungepflegter Stoppelbart reicht keineswegs aus, um ihn für einen Penner zu halten. Aber wie einer, der auf der Woge des Glücks schaukelt, sieht er auch nicht aus. Eher wie einer, der als Strandgut angespült worden ist. Eine herrenlose Seele eben … so wie ich.
„ Redet der nicht mit jeden?“, wende ich mich an den Zahnlosen, der sich gerade aus einer kleinen Schnapsflasche bedient und mir einen Schluck anbietet, jedoch nicht auf meine Frage eingeht.
Ich nehme dankend an, proste aber seinem geheimnisvollen Kollegen zu.
„Wie heißt ihr eigentlich?“, will ich wissen.
„ Wir haben beide den gleichen Nachnamen“, verkündet der Zahnlose stolz.
„ Ich heiße Rudolf Müller, und der da, heißt Thomas Müller“, erklärt er mir und zeigt mit der Schnapsflasche auf seinen Kollegen.
„ Na, das ist doch für den Anfang schon recht lustig!“, kichere ich aufmunternd und klopfe dem Zahnlosen, der mittlerweile auf meinem Bett sitzt, kumpelhaft auf seine Schulter, so dass eine Wolke von Staub auf meine Bettdecke rieselt.
„ Was bitte, ist daran so lustig?“, meldet sich der Fremde auf einmal zu Wort und sieht mich verständnislos, um nicht zu sagen, verächtlich an.
„ Na, hör mal, man darf doch wohl noch mal lachen!“, plustere ich mich auf.
„ Ja, vor allem, wenn es auf Kosten anderer geht ... Du hast dich nicht verändert, Luisa. Lach doch mal über dich selbst. Grund genug gäbe es doch. Du siehst mit deinem Kopfverband, deiner Halskrause und deinem lächerlichen Handtäschchen am Handgelenk aus wie eine Elster, der das Nest unter der Last ihres dreihundertfünfzigteiligen Goldbestecks zusammengekracht ist!“, spottet er.
Wie ausgestopft sitze ich da und starre mein Gegenüber mit offenem Schnabel an, ohne auch nur einen Pieps heraus zu bringen . Obwohl ich doch so viel sagen will. Zum Beispiel, dass er ein Geschenk des Himmels ist, dass er mir nun schon das zweite Mal das Leben gerettet hat. Und, dass er der Schlüssel zu meinem Glück ist.
Aber erst, als er die Tür hinter sich zuknallt, gelingt es mir, zu handeln.
„Hier, ich gebe dir die dreihundert Euro … lauf ihm hinterher und bring ihn mir zurück!“, befehle ich den Zahnlosen, der sogleich loseilt.
Aber nicht wieder zurückkommt.
Vielleicht war es der billige Fusel von dem Zahnlosen, oder meine überstrapazierten Nervenstränge, die mich ein paar
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