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Minuten später zum Erliegen bringen. Wie aus heiterem Himmel überfallen mich unerträgliche Kopfschmerzen. Mit Mühe gelingt es mir die Notklingel zu drücken, bevor ich vor Schmerzen anfange zu weinen. „Das ist wohl die Strafe dafür, dass ich Thomas Müller, die große Liebe meiner Schwester, noch nicht einmal aufgrund seines Namens wieder erkannt habe“, sinniere ich, während mich der müde und abgekämpft wirkende Assistenzarzt medizinisch versorgt. Jedoch besorgt seine Stirn runzelt, als er sich mein Röntgenbild etwas genauer ansieht. Es unschlüssig in verschiedene Richtungen dreht, als würde er sich um ein abstraktes Gemälde handeln, bevor er heimlich einen Schluck aus der Schnapsflasche nimmt, die der Zahnlose in der Eile zurückgelassen hat.
„ Aber Thomas heißen nun mal viele, und Müller, eigentlich fast jeder“, rede ich mir gut zu, als ich wieder schmerzfrei mit meinem goldenen Spiegel in der Hand, in meinem Krankenbett throne und dem netten Assistenzarzt dabei zusehe, wie er mir mit zittrigen Händen einen neuen Kopfverband anlegt.
„ Ich gehe heute nach Hause“, erkläre ich feierlich.
„ Das geht nicht. Sie müssen noch einige Tage unter Beobachtung bleiben“, sagt er streng.
„ Ich muss aber … Es ist lebenswichtig!“, widerspreche ich trotzig.
„ Warum?“, will er wissen.
„ Ich muss mein Glück suchen!“
Der Arzt sieht mich interessiert an und nickt verständnisvoll.
„Ja verstehe! So wie es aussieht, müssen Sie doch noch etwas länger hier bleiben, als ich dachte.“
„ Wissen Sie, Herr Doktor, Glück kann man auch verlernen, ich habe echt Angst zu verblöden“, versuche ich mein Ansinnen zu untermauern.
„ Ja, ja, Frau Elster, ich habe schon verstanden“, murmelt er gütlich.
„ ICH WILL HIER RAUS!“, schreie ich ihn an, füge aber sicherheitshalber hinzu, dass ich nicht verrückt bin, da mir noch rechtzeitig einfällt, dass sich ein Gebäudekomplex weiter, die Geschlossene Anstalt befindet.
Der junge Arzt lässt sich von meiner Hysterie nicht beeindrucken. Er reagiert besonnen und versucht lediglich mit einem warnenden Blick gegen meinen Übermut anzukämpfen. Aber seine Augen wirken abgespannt und schimmern mir fahl wie zwei verstaubte Warndreiecke entgegen. Ich bin bereit seine Bemühungen als willige Geste zu werten, die ihm sein medizinischer Status abverlangt, aber es ist zu wenig, um mich zur Vorsicht zu bewegen, aber ausreichend genug, mich in meinem Leichtsinn zu bestärken.
Ich unterschreibe ein Formular, dass ich auf eignes Risiko die Klinik verlasse, und schon eine Stunde später, befinde ich mich auf freiem Fuß. Mit wackligen Beinen laufe ich den breiten Stationsflur entlang und kneife ungläubig meine Augen zusammen.
Ich entdecke Hugo mit einem überfüllten Präsentkorb in der Hand, und meine Mutter mit einem aufwendigen Blumengesteck auf dem Arm, geradewegs auf mich zusteuern. Jedoch traben sie eilig an mir vorbei, weil sie mich mit meinem Kopfverband nicht erkennen, so dass ich sie wie Hunde zurückpfeifen muss.
„ Euch schickt der Himmel!“, seufze ich erlöst.
„ Bitte helft mir. Bitte tut genau das, was ich sage, aber bitte stellt mir keine Fragen!“
Während Hugo sich an meine Bitte hält, gerät meine Mutter wie programmiert in Panik und fragt mich völlig aufgelöst, was denn nun mit den Blumen und dem Präsentkorb geschehen soll. Ich blicke mich kurz um und sehe den Assistenzarzt den Flur entlang wieseln.
„ Für Sie!“, sage ich, drücke ihm den Korb und die Blumen in die Hand und gebe ihm ein Küsschen auf die Wange.
„ Alles Gute und viel Kraft“, wünsche ich und schaue ihn dabei bedächtig an, ganz so, als hätte ich weit mehr Berechtigung, mich um ihn zu sorgen. Das tue ich auch. Er ist erst Ende zwanzig und wirkt zerbrechlich wie eine feingliedrige Porzellanfigur. Und ich frage mich, wie lange er wohl noch den hohen Anforderungen gewachsen sein wird. Was ist, wenn der kleine Schluck Wodka nicht mehr ausreicht, um den Stress zu betäuben und das Laster, in Form eines fatalen Fehlers, sein Tribut fordert?
„ Leben Sie wohl, und hab Dank für alles“, säusle ich ihm zu und schaue ihm verträumt nach, bis er in einem der Zimmer verschwindet. Ich wünsche mir, dass er sich über die Pralinen und die hausgemachten Wurstspezialitäten von Hugo mehr freut, als über den Kräuterschnaps, der ebenfalls im Korb enthalten ist.
Anschließend bitte ich Hugo, mich an den Ort des Grauens zu fahren. An jene Stelle, an
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