Babel 1 - Hexenwut
aus der Hölle zu erledigen?«, fragte er, während er in dem Papierstapel auf seinem Schreibtisch wühlte.
»Na, so schlimm wird's schon nicht werden.«
»Sag das nicht - mich hat vor Jahren mal so eine Trulla bei einem Truckstop-Konzert gebissen, die können ganz schön gefährlich werden.«
Lomar, der Auftraggeber, galt angeblich als aufstrebender Sänger, den die Radiostationen rauf und runter spielten und den weder Karl noch Babel kannten. Sie hatte sich sein Video auf YouTube angesehen, konnte sich den begeisterten Kommentaren aber nicht anschließen. Wer früher mal Ian Curtis verehrt hat, wacht nicht eines Morgens auf und stellt fest, dass er plötzlich Ricky-Martin-Fan ist. Aber der Kerl hatte ein hübsches Gesicht, was wohl der Grund dafür war, dass ihm die Mädchen scharenweise nachliefen.
Genau wie dieses besondere Mädchen, dessen Schwärmerei in eine Obsession umgeschlagen war, die keine Grenzen mehr kannte. Das Schwarz-Weiß-Foto von ihr, das Karl Babel gegeben hatte, wirkte wie jene Fotografien, die immer in Spionagefilmen zu sehen waren. Irgendwie wirkte jedes Gesicht darauf wie eine Verbrechervisage. Das Bild des Mädchens war heimlich aufgenommen worden und hielt fest, wie es seinerseits das Objekt seiner Begierde beobachtete. Babel hatte sich das Gesicht eingeprägt.
Während Karl alle möglichen Papiere zur Seite legte, wo sie einen neuen unübersichtlichen Stapel bildeten, trat Babel nachdenklich an Xotls Käfig heran. Der Papagei hatte den Kopf unter den Flügel gelegt und schien zu schlafen. In den Fingerspitzen konnte sie das altbekannte Kribbeln spüren, das sie in seiner Nähe überfiel.
Plötzlich flatterte er wild mit den Flügeln. »Plaaag ... pfui.., krik ... Saaaft... Saaaft...«
Babel lief knallrot an und drehte das Gesicht weg.
»... pfui...«
Karl schien nichts davon zu merken. »Manchmal verstehe ich diesen Vogel einfach nicht«, murmelte er.
So schwierig war es gar nicht, Xod zu verstehen, wenn man alle Fakten besaß. Aber sie würde Karl sicher nicht erklären, was der Papagei zu sagen versuchte.
»Böööses Mädchen ... böööses Mädchen ... pfui, pfui...«
»Ich glaube, er meint dich, Babel.«
»Woher willst du das wissen?«
»Na ja, er schaut dich an.«
Misstrauisch betrachtete sie den Vogel. »Sein rechtes Auge sieht nicht mal in dieselbe Richtung wie das linke. Woher willst du da wissen, dass er mich ansieht?«
Karl zuckte mit den Schultern, als wolle er sagen: Kommt mir halt so vor.
»Ha!« Er hielt ihr einen Zettel entgegen. »Ich wusste doch, dass ich die Adresse irgendwo aufgeschrieben hab.«
Sie nahm den Zettel und versuchte, die danebengekritzelte Wegbeschreibung zu entziffern. Dann stopfte sie den Zettel in die Hosentasche. Skeptisch ruhte Karls Bück auf ihr.
»Und du bist sicher, dass das alles kein Problem ist?« Er schaffte es, auf sie herabzuschauen, obwohl er einen ganzen Kopf kleiner war als sie.
»Mach dir keine Sorgen. Wie viele solche Aufträge haben wir schon erledigt? Das ist wirklich kein großes Ding.«
Das schien ihn nicht gänzlich zu überzeugen, noch immer befand sich die steile Falte zwischen seinen Augenbrauen. Ermutigend klopfte sie ihm auf die Schulter und war schon fast zur Tür hinaus, als er sagte: »Das hätte ich fast vergessen. Ich hab mich mit einem Volierenbesitzer unterhalten. Er meint, wir sollen dem Papagei keinen Döner zu fressen geben. Ich dachte, das solltest du vielleicht wissen.«
»Wirklich?«, fragte Babel.
»Wirklich. Offenbar ist das keine artgerechte Haltung und schadet dem Papagei. Vielleicht solltest du auf dem Rückweg mal an einer Zoohandlung haltmachen.«
Babel lehnte sich an den Türrahmen. »Hast du dir eigentlich schon mal überlegt, ob wir Xotls Leben mit einer artgerechten Haltung überhaupt verlängern sollten? Du weißt schon, von wegen Dämon und so.«
Verständnislos sah er sie an. »Na ja, immerhin gehört er irgendwie zur Familie, findest du nicht?«
»Nein, tut er nicht. Wir können ihn nicht mal leiden. Er ist hässlich und garstig.«
»Plaaag ... pfui, pfui...«
»Na ja, das schon ... aber er hat einen Namen.«
»Das wissen wir nicht genau. Xod war nur das Erste, was der Papagei zu dir gesagt hat, als er deiner ansichtig wurde. Nach allem, was ich weiß, könnte er dich auch für Quetzalcóatl gehalten haben. Oder er hatte einen Schluckauf.« Sie stieß sich von der Tür ab. »Und nach dreizehn Jahren ist es wohl ein bisschen spät, ihn an Vogelfutter zu gewöhnen, meinst
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