Babel 1 - Hexenwut
entfernt, in dem sie zuvor gesessen hatte. Sie lief hinter ihm, und er ließ es über sich ergehen, ohne zu murren. Vermutlich war es ihm also ernst, dass er mit ihr reden wollte. Nachdem sie endlich an einem Tisch Platz genommen hatten, wartete Babel neugierig darauf, dass er etwas sagen würde. Ein paarmal öffnete er den Mund, aber dann schloss er ihn wieder, als wüsste er nicht, wie er beginnen sollte.
Nach ein paar Minuten hatte sie es satt und fragte ungeduldig: »Was ist jetzt?«
Mit fiebrig glänzenden Augen sah er sie an. »Ich will bei dir in die Lehre gehen.«
Sie schnaubte. »Natürlich.«
»Ich meins ernst.«
»Deine ganze Familie besteht aus Hexen. Was soll ich dir beibringen, was die dir nicht beibringen können? Mal ganz davon abgesehen, dass du doch nicht ernsthaft glaubst, dass ich dir meine Tricks verrate, damit du sie deiner Großmutter erzählen kannst. Ich bin nicht ganz so blöd, wie ich vielleicht aussehe, Kleiner.«
Heftig schüttelte er den Kopf. »Du verstehst nicht. Ich will nicht in eure Auseinandersetzung hineingezogen werden, das interessiert mich nicht. Ich will etwas von dir lernen.«
»Warum fragst du nicht Clarissa? Deine Großmutter kann dir genug beibringen.«
»Ich habe kein sehr gutes Verhältnis zu meiner Großmutter.« Er sah zur Seite, und seine Hände, die auf der Tischplatte lagen, ballten sich zu Fäusten. Babel erinnerte sich an seinen Bruder, der magisch passiv war und damit in dieser Familie immer eine
Randfigur bleiben würde. Es wunderte sie nicht, dass das Verhältnis zwischen Clarissa und ihren Enkeln angespannt war.
»Es hat sehr lange gedauert, bis sich das magische Talent in mir gezeigt hat«, fuhr er leise fort. »Am Anfang haben alle gedacht, es wäre bei mir genau wie bei Mikhail, aber dann brach es doch durch.« Es schien ihm fast unangenehm zu sein. Sie konnte sich gut vorstellen, dass diese Entwicklung, die ihn seiner Familie nähergebracht hatte, zu einer Entfremdung der Brüder geführt hatte.
»Obwohl ich magisch aktiv bin, habe ich nie besonders großes Talent dafür gezeigt, und die anderen haben sich nie die Mühe gemacht, mit mir zu trainieren. Meine Großmutter ist mit ihren Geschäften beschäftigt, ebenso wie mein Vater. Wenn sie mich brauchen, binden sie mich in die Arbeit ein, aber es ist schon klar, dass ich das Familiengeschäft nicht übernehmen werde.«
»Was willst du also von mir?«
»Lernen. Komplexe Zauber. Die Beeinflussung der Ebenen.«
Babel sah ihn scharf an, aber er reagierte gar nicht auf sie. Mit verkniffenem Ausdruck rührte er in seinem Kaffee.
»Ich beschwöre weder Dämonen noch die Toten.«
Zumindest nicht mehr, was?
»Aber du kannst es, oder?« Sein Blick bohrte sich in ihren, bis sie sich zurücklehnte und die Arme verschränkte, als könnte sie ihre Vergangenheit auf diese Weise fernhalten.
»Alle behaupten, dass du darin große Fähigkeiten besitzt, dass das dein Ding ist. Die Kontrolle der Ebenen. Ich will nur wissen, wie es funktioniert...«
»Das Problem mit den Ebenen ist, dass du es nie dabei belässt, nur zu wissen, wie es funktioniert«, erwiderte sie barsch. »Sobald du weißt, wie es funktioniert, willst du es auch ausprobieren, und glaub mir, dabei werde ich dir ganz sicher nicht helfen.«
Wieder runzelte er die Stirn, und sie konnte förmlich sehen, wie er nach Argumenten suchte, um sie umzustimmen. Sie kannte den Impuls nur zu gut, der ihn zu ihr getrieben hatte. Es war der gleiche, der sie vor so vielen Jahren dazu verleitet hatte, Sams Drängen nachzugeben und die Dämonenebene in Ritualen zu erforschen. Damals hatte sie auch geglaubt, ihre Mutter wolle ihr etwas vorenthalten. Sie hatte gedacht, ein Recht auf dieses Wissen zu haben, und nach Wegen gesucht, es sich anzueignen.
»Hör zu«, erwiderte sie, »ich kann dir nicht helfen. Und das hat auch nichts mit Clarissa zu tun. Meine Magie ist meistens intuitiv, ich benutze kaum Hilfsmittel, doch bei dir ist das anders. Deine Art Magie schult am besten jemand, der sich ihrer ebenfalls auf diese Weise bedient, mit Bildern und Sprüchen. Ein Sprinter kann einem Marathonläufer auch nicht erklären, wie er zu trainieren hat, verstehst du?«
Seine Schultern sackten ein Stück nach vom, und fast hatte sie Mideid mit ihm. Aber Babel konnte ihm nicht helfen. Seinen Platz musste er selbst finden, das hatten sie alle gemusst. Sie winkte die Kellnerin heran, um zu zahlen.
»Vielleicht solltest du überlegen, die Stadt zu verlassen, Nikolai. Nicht
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