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Babel 1 - Hexenwut

Babel 1 - Hexenwut

Titel: Babel 1 - Hexenwut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Winter
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lächeln.
    »Ich glaube kaum, dass ich dem Mörder bei der Staatsanwaltschaft über den Weg laufe. Ich passe auf, keine Angst! Ich melde mich, wenn ich dort raus bin.«
    »Plaaags in den Tooopf... Deckel drauuufl«
    Amüsiert beendete sie das Gespräch und ging in die Küche, um ein paar Sachen in eine Tasche zu packen, die sie später noch brauchen würde. Sie wollte gerade nach oben gehen, um sich anzuziehen, als das Telefon erneut klingelte. In der Annahme, es sei noch einmal Karl, nahm sie ab und bereute es im selben Augenblick.
    »Guten Morgen, Babel! Wie geht es dir, Schatz?«
    »Judith.«
    Der Kopfschmerz kehrte augenblicklich mit voller Stärke zurück, ebenso wie das Zucken im linken Auge. Familiengespräche am frühen Morgen waren ein schlechter Start in den Tag.
    »Du hast nicht zurückgerufen«, sagte ihre Schwester vorwurfsvoll.
    »Du hast angerufen?«
    »Ja, zu deinem Geburtstag, wie du sehr wohl weißt. Das tun Schwestern, habe ich mir sagen lassen.«
    Sie wartete auf eine Erwiderung, aber Babel schwieg in der Hoffnung, so das Gespräch abzukürzen. Diskussionen mit Judith waren selten erquicklich. Während dieses stummen Kräftemessens stieg sie die Treppe nach oben und öffnete den Kleiderschrank. Darin gab es ein Fach, das mit Kleidung gefüllt war, die sie privat nie getragen hätte. Arbeitskleidung, um die es nicht schade war, wenn sie bei den Aufträgen litt. Wie damals bei diesem Drogenhändler, der nicht begriffen hatte, dass einer seiner Stammkunden jetzt clean war und nichts mehr kaufen wollte. Wer hatte schon ahnen können, dass er sich genau in dem Moment bewegte, in dem Babel mit einem Zauber auf ihn zielte und statt seiner Brust den Schädel erwischte? Der Kerl hatte geblutet wie ein Schwein und Babel ihre besten Schuhe ruiniert.
    Nach einer Minute Schweigen sagte Judith beleidigt: »Wie du meinst. Ich wollte ja auch nur wissen, ob du Pfingsten nach Hause kommst.«
    »Muss das sein?«
    »Müssen muss gar nichts. Außer Sterben. Vielleicht. Ich werde dort jedenfalls nicht allein auftauchen. Mutter treibt mich mit ihren Fragen in den Wahnsinn. Wenn du da bist, verteilt sich der Wahnsinn auf zwei.«
    »Ja, ich würde mich auch freuen, dich zu sehen.«
    Judith schnaufte, aber dann vernahm Babel ihr leises Lachen, das so typisch für sie war und bei dem sich ihre rot geschminkten Lippen breit nach oben ziehen würden. Sie sah Judith vor sich, mit dem weißblonden Bob und dem schönen Gesicht, wie sie alle Blicke auf sich zog. Für Babel würde Judith immer das Mädchen bleiben, das sie alle beneideten, weil sie nie Zweifel zu kennen schien und so vollkommen von ihrer eigenen Großartigkeit überzeugt war, dass man es ihr nicht einmal übel nehmen konnte. Judith hatte nie mit ihrer Magie gehadert. Nie war es ihr schwergefallen, die Grenzen zwischen den Ebenen einzuhalten. Dafür war sie zu clever.
    Judith besaß allerdings eine lästige Charakterschwäche, die den Umgang mit ihr erschwerte: Sie glaubte felsenfest daran, sich in Babels Leben einmischen zu müssen. Nicht etwa, weil sie sich so um sie sorgte, nein, sie tat es vor allem dann, wenn sie sich langweilte.
    Von einer Ahnung getrieben trat Babel ans Fenster, zog die Gardine ein wenig zur Seite und sah in den Garten. In der Tat, auf dem Apfelbaum saß diese unselige, Krach machende Taube, die einen Ring am Fuß trug und sie blöde anglotzte. Sie hätte es sich gleich denken können. Kein Wunder, dass Judith genau gewusst hatte, wann sie Babel zu Hause erreichen konnte.
    Im Gegensatz zu ihr hatte ihre Schwester nämlich ein Händchen für Tiere, viele ihrer Zauber nutzten Tiere. Tauben setzte sie besonders gern ein, um andere Menschen im Blick zu behalten, denn durch die Augen der Vögel sah sie, was die Tauben sahen. Diese Technik hatte Judith mit sechzehn entwickelt, um einem untreuen Freund hinterherzuspionieren, und seitdem perfektioniert.
    Babel machte es sich auf dem Bett bequem. »Weißt du, Judith, du musst dir nicht die Mühe machen, eine deiner Tauben zu mir zu schicken. Außerdem sind sie laut und stören meinen Schlaf.«
    »Wenn du nicht auf meine Anrufe reagierst, bleibt mir doch keine andere Wahl, als nachzuschauen, ob alles mit dir in Ordnung ist.«
    »Du übertreibst.«
    »Und du hattest Geburtstag.«
    »Ich war bisher nicht der Annahme, dass das ein Grund wäre, betrübt zu sein.«
    Judith antwortete nicht sofort, seufzte aber unüberhörbar dramatisch in den Hörer. »Post bekommen, Babel?«
    Daher wehte also der Wind.

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