Babel 1 - Hexenwut
Hexenkrieg wäre nur eine Frage der Zeit - und inzwischen konnten bereits vier dämonische Diener durch die Stadt laufen.
Bei dem Gedanken lief es Babel eiskalt den Rücken hinunter, und das Grauen krampfte ihr das Herz zusammen. »Das kann ziemlich böse enden, Tom. Dieser Täter verfügt über Kraft, die ich nicht einschätzen und gegen die ich vielleicht auch nichts ausrichten kann ...«
»Aber es hat doch schon böse angefangen, Babel.« Seine Antwort war nur ein Flüstern.
Noch einmal sah sie Annabelles Foto an, und plötzlich fühlte sie etwas, das sie den Tag zuvor nicht verspürt hatte: Schmerz. Über den Verlust. Und Angst. Über das, was noch kommen mochte.
»Niemand von uns ist sicher, Babel, solange dieser Mörder da draußen rumläuft. Das sollte es sein, was uns antreibt. Ich kann nicht noch jemanden von meinen Leuten verlieren, verstehst du?«
Sie drehte sich zu ihm um und sah den gleichen Schmerz, den sie spürte, in seinem Gesicht gespiegelt. Zögerlich stand er auf und kam auf sie zu. Mit jedem Schritt, den er sich ihr näherte, schlug ihr Herz schneller. In seinem Blick flammte etwas auf, etwas Dunkles, das auch in ihr schlummerte, und sie fragte sich, was er wohl mit dem Täter anstellen würde, wenn er ihn tatsächlich in die Finger bekam. Dieser Plag, der aussah, als würde er nichts weiter tun, als mit seiner Gitarre am Lagerfeuer zu sitzen, schien eine Seite zu besitzen, mit der sie nicht unbedingt Bekanntschaft schließen wollte.
Vielleicht war sie nicht die Einzige mit Geheimnissen, die besser unentdeckt blieben.
Die Alben der alten Zeit waren keine netten Geister, vergiss das nicht, Babel! Wo sie hilfsbereit waren, forderten sie auch einen Preis. Wo sie treu waren, brachen sie ihr Wort, und ihr Blick brachte nicht nur Freude, sondern auch Verderben und Fieber, das alles verzehrt. Du tust gut daran, das nicht zu vergessen.
»Wirst du mir helfen?«, hüllte sein Flüstern sie ein, doch dieses Mal war es frei von Hypnose. Er bat um ein Bündnis, das es in hundert Jahren nicht gegeben hatte: eine Hexe und ein Plag, gemeinsam.
Sie nickte. »Wir kriegen das Schwein«, versprach sie ihm, obwohl sie keine Ahnung hatte, wie sie das anstellen sollten. Aber sie meinte es ernst, und das war alles, was zählte.
Die Jagd hatte längst begonnen.
7
Nachdem sie Annabelles Wohnung verlassen und das Siegel erneuert hatten, fuhr Tom sie ins Büro. Stumm saßen sie im Auto vor dem Haus, und Babel überlegte, was sie sagen sollte. Aus den geöffneten Fenstern im ersten Stock ertönte zur Abwechslung der frühe Johnny Cash, und an der Hauswand fand sich ein neues Graffiti.T OD ALLEN B OSSEN ! Vermutlich war es sogar echt und nicht von den Plags.
Toms Blick war finster, und seine Finger krampften sich um das Lenkrad, bis die Knöchel weiß wurden. Als sie ihre Hand auf seine legte, sah er überrascht auf, als wäre ihm erst jetzt wieder eingefallen, dass sie neben ihm saß.
»Ich werde mit den anderen in der Wagenburg reden müssen«, sagte er. »Wir müssen uns überlegen, wie wir uns schützen können. Wir können nicht so weitermachen wie bisher, das ist zu gefährlich.«
Babel nickte. »Hör zu, morgen will ich mit den anderen Hexen reden, und ich glaube, es ist besser, wenn du nicht dabei bist, das stiftet nur Verwirrung. Ihr müsst überlegen, wie ihr euch verteidigen könnt, und du kannst nicht überall gleichzeitig sein. Du nützt deinen Leuten mehr, wenn du bei ihnen bist.«
»Und wer deckt deinen hübschen Hintern, wenn's brenzlig wird?«
Unter seinem herausfordernden Blick stieg ihr die Hitze in die Wangen. »Wann hast du dir meinen Hintern angesehen?«
»Bei dem Kostüm hat man einen ziemlich guten Ausblick.«
»Aha.«
Stumm starrten sie sich an, bis er sagte: »Du weißt, dass ich dir dankbar bin, oder?«
Sie nickte.
»Gut.«
Urd bellte und unterbrach die Spannung, die sich zwischen ihnen aufgebaut hatte. Der Anblick des dicken Speichelfadens, der von ihren Lefzen nach unten und auf das Polster der Rückbank tropfte, genügte, um Babels Anspannung ein wenig zu lockern.
»Ganz ehrlich, ich verstehe nicht, wie du das erträgst«, sagte sie zu Tom und deutete auf die Sauerei.
Er warf einen Blick auf seine Hündin. »Na ja, wir haben alle unsere Schwächen.«
»Ja, aber wir sabbern nicht alle das Mobiliar voll.«
»Kommt noch, kommt noch.«
»Vorher erschieß ich mich«, murmelte sie beim Aussteigen, aber das schien er nicht mehr zu hören. Als der Wagen davonfuhr, sah sie ihm
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