Babel 3 - Geisterliebe
die Hände auf den Tisch, damit er nicht mehr über den Fußboden schabte, weil ihre Magie Amok lief. „Wie ich sehe, bist du bestens informiert.“
Obwohl dir niemand Bescheid gesagt hat. Ein beängstigender Gedanke.
„Wenn jemand ein paar Tote auf eine meiner Töchter ansetzt, dann sollte ich darüber Bescheid wissen, denkst du nicht?“
„Bist du deshalb hier?“
„Ich bin hier, um meinen Kindern beizustehen, das tun Eltern für gewöhnlich.“
Babel hätte ihr gern gesagt, dass ihre gesamte Familie alles andere als gewöhnlich war und dass sie nie besonders gut darin waren, allzu lange gemeinsam am selben Ort zu sein. Aber wenn sie eines über ihre Mutter gelernt hatte, dann, dass es keinen Zweck hatte, mit ihr zu diskutieren, wenn sie sich erst einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte. In dieser Hinsicht ähnelte sie wohl ihren Töchtern.
„Will mir vielleicht mal jemand erklären, was hier vor sich geht?“, mischte sich Sam nun ein, der sich ein kaltes Wiener aus dem Kühlschrank geholt hatte, von dem er eine Hälfte selbst aß und die andere Hälfte Urd hinhielt, die sich schon seit Wochen von ihm mit Essen bestechen ließ. Darüber vergaß die Dogge sogar, dass er ein Dämonenkind war. Sehr zu Toms Leidwesen, der es lieber sähe, wenn sein Hund Sam in Stücke riss. Leider sah die Dogge zwar aus wie der Hund von Baskerville, ähnelte in ihrem Charakter aber eher einem flauschigen Kaninchen.
„Du kannst dich freuen, du hast wieder einmal recht gehabt“, seufzte Babel. „Clarissa hat ihre Drohung ernst gemacht.“ Sie erzählte ihm, was passiert war.
Clarissas Angriff auf Judith war Sams stärkstes Argument gewesen, bei ihr einzuziehen, denn er hatte von Anfang an vorausgesagt, dass die andere Hexe es nicht bei diesem einen Angriff belassen würde. Er behauptete felsenfest, dass sein Bleiben lediglich auf der Tatsache beruhte, dass er Babel schützen wollte, solange die Auseinandersetzung mit Clarissa lief. Angeblich machte es ihm nicht das Geringste aus, dass Babel mit Tom zusammen war.
Doch dieses Mal schien es, es wäre ihm lieber gewesen, er hätte nicht recht behalten. Sein Gesicht wurde ganz starr, genau wie sein Blick, und Babel wusste, dass seine dämonische Seite an die Oberfläche drängte. So war es immer, wenn er wütend war. Kurz bevor er explodierte, wurde er ganz ruhig.
„Ich muss zur Wagenburg, die Plags warnen“, sagte Tom unvermittelt in das drückende Schweigen. „Sie sollten wenigstens wissen, was gerade passiert.“
„Ruf an.“
Er schüttelte den Kopf. „Nein, das reicht nicht. Ich muss mit ihnen reden. Es müssen Vorbereitungen getroffen werden. Wir können den Platz nicht schon wieder verlassen. Noch einmal werden wir die Wagenburg nicht wieder an derselben Stelle aufbauen können.“
„Du solltest nicht allein unterwegs sein. Wenn Clarissa das Haus beobachten lässt, wird sie merken, dass du weggehst.“
„Ich gehe mit ihm“, erwiderte Sam, worauf sich alle Köpfe überrascht zu ihm umdrehten.
„Was?“
„Willst du mich vielleicht unterwegs erschlagen und behaupten, dass es Clarissa war“, fragte Tom sarkastisch.
„Kein schlechter Gedanke.“
„Fass ihn bloß nicht an!“ Wütend ballte Mo die Hände, was Sam nur zum Lachen brachte.
„Sag Bescheid, wenn du eine Tracht Prügel willst, Kleiner. Jederzeit gerne. Ich hab schon lange keinen Plaghintern mehr versohlt.“
„Sam!“ Babel sah ihn ungehalten an. „Das ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt.“
„Ich brauche seine Hilfe nicht“, warf Tom ein und verschränkte die Arme, worauf Babel genervt die Hand hob.
„Ihr benehmt euch wie im Kindergarten, während Karl im Krankenhaus liegt. Wir haben jetzt wirklich Besseres zu tun, als alberne Auseinandersetzungen zu führen. Mir wäre es lieber, wenn Sam mit dir gehen würde. Wer weiß, was sich Clarissa noch einfallen lässt. Hier im Haus passiert uns erst mal nichts, aber wenn du allein da raus gehst …“ Sie schüttelte den Kopf.
„Himmel, Babel, du klingst, als wären wir hier im Kriegsgebiet.“
Du hast keine Ahnung.
Sam warf ihr einen Blick zu, der Bände sprach. Dem Dämonenkind war viel deutlicher bewusst, wozu Hexen in der Lage waren, er hatte bereits mit zweien eine längere Beziehung geführt und er wusste, wie blutig Hexenkriege enden konnten. Tom war sicher kein Unschuldslamm, aber ihm fehlte diese dunkle Seite, die alle Hexen mehr oder weniger in sich trugen.
Den Hunger nach Macht.
Genau das, was sie an ihm so
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