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Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Babel Gesamtausgabe - Band 1-3

Titel: Babel Gesamtausgabe - Band 1-3 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cay Winter
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seine Familie etwas davon merkte, denn offiziell wohnte er bei Clarissa, solange er in der Stadt war.
    »Weiß deine Großmutter von alldem?« Babel erfasste mit einer Geste den Raum.
    Zu dritt standen sie in dem kargen Wohnzimmer. Sam blockierte die Tür zum Flur, während Babel den magischen Spuren nachging. Noch immer zitternd schleppte sich Nikolai zum Sofa und ließ sich darauf fallen. Wie eine Marionette, der man die Schnüre durchgeschnitten hatte, sank er in sich zusammen.
    Seine Stimme klang flach und leise, als er endlich antwortete. »Nein. Großmutter weiß nicht mal, dass Mikhail in der Stadt ist.«
    Babel stellte sich ihm gegenüber an die Wand. In dieser Wohnung sollte sich das Rätsel also lösen. Sie dachte an Annabelles Wohnung und wie sehr man dort gespürt hatte, welcher Mensch in ihr gelebt hatte. Doch diese hier passte zu dem Geist, den sie in Mikhail gesehen hatte. Die Leere war nur das Spiegelbild dessen, was in seinem Inneren herrschte.
    »Dein Bruder hat die Plags umgebracht«, sprach sie in die Stille, und es klang seltsam hohl in diesem leeren Raum.
    Nikolai nickte. Jeglicher Widerstandsgeist war aus ihm gewichen.
    »Warum?«
    »Er wollte seine magischen Anlagen aktivieren.«
    Entsetzt starrte sie ihn an. »Das ist nicht dein Ernst.«
    Doch Nikolai nickte nur noch einmal und schloss die Augen. Sein Kopf fiel nach hinten auf die Lehne, er öffnete leicht den Mund. Die Erschöpfung hüllte ihn ein wie ein Mantel.
    Babel wusste nicht, ob sie ihm glauben sollte, aber die fehlenden Puzzleteile rückten plötzlich an ihren Platz, und es entstand ein Bild, das so ungeheuerlich war, dass Babel fassungslos an der Wand nach unten rutschte.
    »Du meinst wie eine Starthilfe?«, fragte Sam von der Tür aus. Er hatte die Arme verschränkt und ließ Nikolai nicht aus den Augen. »Ist das überhaupt möglich?«
    Hilflos hob Nikolai den Kopf. »Er sucht seit Jahren einen Weg … Es gibt Berichte darüber, alte Legenden …«
    »Legenden, pah. Wir sind hier nicht bei Wünsch dir was .« Babel schnaubte.
    Sein Blick bekam etwas Flehentliches, und es kam ihr vor, als suche er nach ihrem Verständnis. »Er hat geglaubt, wenn er magische Energien durch sich durchjagt, kann er das magische Potenzial aktivieren.«
    Nachdenklich betrachtete Babel die Zeichen auf dem Fußboden. »Es könnte möglich sein. Mikhail ist zwar magisch passiv, aber er ist auch das Kind einer Hexe. Vielleicht verfügt er über die Kraft, aber nicht über die Möglichkeit, sie auszudrücken. Wie ruhende Gene.« Sie verschränkte die Arme und fixierte Nikolai. Plötzlich fiel es ihr leicht, das Bild zusammenzusetzen; alles lag nun offen vor ihr. »Du hast die Energie auf ihn übertragen, nicht wahr? Du warst dabei, als er die Plags getötet hat. Aber weil die Totenenergie auf ihn übergegangen ist, finden sich an dir keine Spuren.«
    Er musste nicht antworten, sie sah ihm die Wahrheit auch so an.
    »Aber wie hast du es geschafft, die Energien zu bewegen? Du hast nicht mal annähernd genug Kraft dafür.«
    Er deutete auf einen Karton neben ihr, und als sie sich darüberbeugte, sah sie, dass mehrere Schmuckstücke darin lagen. Vor allem Armreife aus Silber und Ringe aus Gold. Es war der Schmuck einer Frau.
    »Du hast dich bei deiner Großmutter bedient. Sie besitzt so viele aufgeladene Stücke, dass es ihr wahrscheinlich gar nicht aufgefallen ist, als ein paar davon verschwanden, nicht wahr? So ist es dir gelungen, dir zusätzlich Kraft anzueignen.«
    Er nickte.
    »Jetzt wird mir auch klar, dass Mikhail gar nicht dein Werkzeug war. Du bist seines.«
    Nikolai drückte die Handflächen gegen die Augen und krümmte sich nach vorn. Seine bebenden Schultern zeigten an, dass er weinte. »Ich wollte das nicht …«
    »Das sagen sie hinterher alle.« Verächtlich schaute Sam ihn an. Mitleid konnte Nikolai von ihm nicht erwarten. Seine Schwäche, Nein zu sagen, hatte vier Menschen das Leben gekostet.
    »Sein Plan ist nicht aufgegangen, oder? Die Energie war nicht genug, deswegen hat er es immer und immer wieder versucht. Und du hast ihn nicht davon abgehalten.«
    »Du verstehst das nicht«, rief Nikolai plötzlich. Zum ersten Mal schien Leben in ihn zu kommen. »Du hast deine Magie, du kannst nicht wissen, wie man sich fühlt …«
    »Nein, kann ich nicht. Wir haben alle unser Säcklein zu tragen, aber wir werden deshalb nicht alle zum Mörder.«
    »Warum die Plags?«, fragte Sam, aber Nikolai blickte ihn nur stumm an, als habe der Ausbruch seine

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