Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
Weg gelaufen bin. Er hat mich bis aufs Klo verfolgt, um mich zu fragen, ob ich vielleicht in letzter Zeit Jagd auf Plags gemacht hätte, weil ich ja schließlich ein Dämonenkind bin und uns der Sinn immerzu nur nach Bösem steht. Kannst du dir das vorstellen? Ich stehe da so friedlich und versuche, mich zu konzentrieren, und der quatscht mich an. Ich meine, ich bin auf Toiletten schon eine Menge gefragt worden, aber so etwas noch nicht.«
»Was hast du geantwortet?«
»Ja natürlich. Ich hab ihm erzählt, dass ich es mir zu meinem neuen Hobby gemacht habe und dass ich mir jetzt einen nach dem anderen vornehmen würde. Und er wäre der Nächste. Daraufhin ist er verschwunden.«
Sie konnte sich vorstellen, welchen Spaß es ihm gemacht hatte, den Plag zu reizen. »Und? Hast du?«
»Ich habe keinen Ärger mit den Plags.«
»Vielleicht suchst du ihn ja.«
»Glaubst du denn, dass ich es war?«
Genau das war der Knackpunkt: Babel wusste es nicht. Die Sache schien ihr viel zu geplant. Wenn sich Sam mit jemandem anlegte, dann spontan. Er war wie ein Vulkan, der ohne Vorwarnung explodierte, kein berechnender Killer. Aber töten konnte er.
Als sie an das Blut dachte, das an ihren Händen klebte, wurde ihr kalt.
Du darfst ihn nicht wiedersehen, wenn du das in den Griff kriegen willst, Babel.
Ich kann nichts dafür, Hilmar, ich hab ihm gesagt, er soll sich fernhalten, aber er …
»Du kannst mich haben, Babel, aber nur so, wie ich bin«, sagte Sam auf einmal. »Kein Herumdoktern, keine Kompromisse. Entweder du willst das ganze Paket oder gar nichts. Da gibt es keinen weichen Kern, der plötzlich zum Vorschein kommt, nur weil du es dir so wünschst. Ich hab es dir gesagt, als wir uns das erste Mal getroffen haben.«
Das hatte er, aber sie war sechzehn gewesen und hatte ihm nicht geglaubt. Sie war jung gewesen. Er hatte mit ihr Rituale und Zauber trainiert, von denen ihre Mutter ihr abgeraten, ja nicht einmal erzählt hatte, aus Angst, Babel könnte sich darin verlieren. Und genau das war ja auch geschehen.
Es hatte Tage gegeben, da hatten Sam und sie ein halbes Dutzend Tiere getötet, beim Versuch, kleinere Dämonen zu beschwören. Obwohl Babel schon an ihrem siebzehnten Geburtstag gewusst hatte, dass sie ein Problem mit ihrer Magie hatte, war es ihr nicht gelungen, sich von ihm zu trennen. Eines Tages war sie dann einem Blutrausch erlegen – bei einem Ritual waren sämtliche elektrischen Geräte um sie durchgebrannt, und am nächsten Morgen war sie frierend erwacht: überall getrocknetes Blut auf der Haut und Fetzen der Ritualtiere über die Fliesen im Bad verteilt. Mehrfach hatte sie sich übergeben, und beim Blick in den Spiegel war sie so erschrocken, dass sie sich geschworen hatte, sich nie wieder von Sam zu einem Ritual überreden zu lassen.
Das war der Tag, an dem sie ihn verlassen hatte. Drei Wochen später hatte Hilmar sie aufgelesen.
Sam hatte ihr gezeigt, wozu sie fähig war, aber der Ekel darüber hatte sie nie ganz verlassen. Genauso wenig wie die morbide Faszination. In ihren dunkelsten Stunden war er bei ihr gewesen, das verband sie. Wie ein Malariapatient, der immer wieder vom Fieber geschüttelt wird, wurde Babel von ihm heimgesucht, und es schien kein Mittel gegen diesen Mann zu geben, der so sehr ein Teil von ihr war.
»Ich kann nicht wieder damit anfangen«, sagte sie und hörte selbst, wie ihre Stimme zitterte. »Ich bin nicht mehr …«
Er tat einen weiteren Schritt, aber sie schüttelte den Kopf.
»Warum lässt du mich nicht zufrieden?«
»Weil ich nicht kann, Babel.« Er zeigte zwischen ihnen hin und her, und sein Gesicht verriet die Anstrengung, die es ihn kostete, nicht nach ihr zu greifen. »Das ist es, verstehst du? Du und ich. Andere träumen ein Leben lang davon, jemanden zu finden, der sie blindlings versteht, und wir haben das. Mehr geht nicht. Begreifst du das nicht? Du hast nur Angst vor deiner eigenen Stärke, aber das wirst du nicht ewig unterdrücken können.«
Es war der alte Streitpunkt zwischen ihnen. Er glaubte fest daran, dass sie das Verlangen nach den Kräften der Dämonenebenen nicht unterdrücken sollte, um ihr Potenzial als Hexe voll auszuschöpfen, während sie glaubte, dass es ihre größte Schwäche war. Er hatte nie begriffen, warum sie sich von moralischen Skrupeln bremsen ließ.
Während sie ihn betrachtete, spürte sie, wie seine dämonischen Energien an den Rändern ihrer Wahrnehmung zupften, doch bevor sie etwas erwidern konnte, hörten sie ein Stöhnen
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