Die Paulis in Tatukaland (German Edition)
1 . Kapitel
»Salami? Igitt!«, rief Lea und hielt mit zwei spitzen Fingern angewidert eine Scheibe Wurst in die Höhe. Käse klebte daran und zog einen dünnen Faden bis zum Teller, auf dem die Pizza lag. »Ich esse keine Salami! Ich bin Vegetarierin!«
Mutter Iris warf ihr einen mahnenden Blick zu, doch Lea kniff die Augen kampfbereit zusammen.
»Was ist eine Vegi…trararierin?«, fragte ihre kleine Schwester Flummi und kaute dabei fröhlich vor sich hin.
»Vegetarier essen kein Fleisch«, erklärte Lea und schaute Flummi auffordernd an. Doch Flummi mampfte weiter und begriff nicht, was Lea von ihr wollte. Erst als Lea ihr unter dem Tisch gegen das Bein trat und sie mit einem dramatischen Augenrollen bedachte, verstand Flummi, was sie zu tun hatte. Sie spuckte das Stück Salami-Pizza, das sie schon zu einem weichen Klumpen gekaut hatte, auf den Teller und sagte: »Ja, genau. Igitt. Ich bin nämlich auch Vege…dingsda.«
Beide schauten nun zu Dennis, ihrem älteren Bruder. Ihr Blick war eine klare Aufforderung, es ihnen gleichzutun. Doch Dennis aß seine Pizza weiter, ohne eine Miene zu verziehen.
»Und du?«, fragte Lea ermahnend. »Bist du nicht auch …?«
»Genau«, stimmte Flummi zu. »Du bist doch auch Vegi…, äh, … Vegatrara…, du isst doch auch kein Fleisch, oder?«
Dennis blieb völlig cool. Lea und Flummi wurden unruhig. Machte Dennis etwa nicht mit? War er ein Verräter? Dann schluckte ihr Bruder das Stück Pizza herunter und sagte: »Ich bin kein Vegetarier. Im Mittelalter war Fleisch oft das Einzige, was die Leute zu essen hatten. Ich gehe in meinem Rollenspiel ja auch auf die Jagd und erschieße mit Pfeil und Bogen manchmal einen Hirsch und dafür bekomme ich dann 500 Punkte und steige einen Level auf. Also, ich mag Fleisch.«
Lea funkelte ihn mit wütenden Augen an, und Flummi versuchte, ihm energisch gegen das Bein zu treten, so wie Lea es bei ihr gemacht hatte. Doch Flummis gerade mal achtjährige Beine waren zu kurz, um Dennis zu erreichen, und zappelten bloß hilflos in der Luft herum.
»Aber«, fuhr Dennis fort, »die Pizza schmeckt trotzdem nicht gut. Die ist labbrig. Und schlecht gewürzt. Ich esse die nur, weil ich total hungrig bin. Sie ist widerlich, diese Pizza! Ich quäle sie mir total rein.« Dennis verzog theatralisch das Gesicht, als hätte er einen Hundehaufen im Mund, kaute aber weiter.
Iris seufzte. Das ging schon die ganze Zeit so. Ihre drei Kinder benahmen sich heute unmöglich und zeigten sich von ihrer schlechtesten Seite. Sie taten einfach alles, um Arne, der die Pizza mit vielen frischen Zutaten und großer Mühe zubereitet hatte, zu zeigen, dass er in diesem Haus nicht erwünscht war.
»Oh, das tut mir aber leid«, sagte Arne. »Normalerweise mögen die Leute meine Pizza.« Und zu den Mädchen gewandt, so fügte er hinzu: »Und ich wusste nicht, dass ihr beide kein Fleisch esst. Das hat mir eure Mutter nicht gesagt.«
»Weil es auch gar nicht stimmt«, schimpfte Iris. »Das haben die eben gerade mal so beschlossen. Kümmere dich einfach nicht darum. Die Pizza ist sehr, sehr lecker.«
Iris hatte geahnt, dass es ein Problem geben würde, wenn sie ihren Kindern Arne vorstellte. Doch sie hatte nicht erwartet, dass es so schlimm werden würde. Selbst Flummi benahm sich heute unmöglich. Dabei war ihre jüngste Tochter doch ein kleiner Sonnenschein. Flummi war eigentlich immer gut gelaunt, quietschmunter, offen für alles Neue und reizend zu jedem Menschen, den sie traf. Zweifelsohne hatte Lea sie dazu angestachelt, Arne zu ärgern.
Auch wenn sie das Verhalten ihres Nachwuchses unerhört fand: Iris verstand es schon, dass ihre Kinder Arne nicht einfach so akzeptierten. Sechs Jahre war es her, dass ihr Mann, der Vater der Kinder, gestorben war. Flummi erinnerte sich nicht an ihn, sie war damals noch zu klein gewesen. Aber Lea und Dennis taten es sehr wohl. Und dass ihre Mutter nun einen neuen Freund hatte, fanden sie gar nicht gut. Die Kinder hatten das Gefühl, als wollte Arne ihren Papa ersetzen.
»Dürfen wir auf unsere Zimmer gehen?«, fragte Lea mit giftigem Tonfall.
»Aber ich hab noch Nachtisch gemacht«, wandte Arne ein. Er war von Beruf Koch und bereitete tatsächlich fabelhafte Speisen zu. Die Kinder hätten es niemals zugegeben, aber es kostete sie eine große Überwindung, die Pizza nicht zu essen. Es war die leckerste Pizza, die sie je probiert hatten.
»Echt? Nachtisch? Was denn?«, fragte Flummi, die für einen Moment vergaß,
Weitere Kostenlose Bücher