Babel Gesamtausgabe - Band 1-3
aus dem Flur. Peking erwachte.
»Ich muss mich darum kümmern«, sagte sie, griff nach dem Handy, das auf der Kommode lag, und wählte Toms Nummer. Es dauerte eine Weile, bis er abnahm. Er klang verschlafen, und sie konnte sich vorstellen, wie er sich durch die Haare fuhr, um die beim Schlafen durcheinandergeratenen Locken zu entwirren.
Als er den Hörer ans Ohr hielt, klapperten seine Ohrringe gegen die Muschel, und er wechselte die Seite. »Ist was passiert?«
»Tut mir leid, dass ich dich wecke. Peking hat mir einen nächtlichen Besuch abgestattet.«
»Hat er dir was getan?« Er klang alarmiert.
»Nein. Aber wir hatten einen kleinen Zusammenstoß.« Sie beobachtete Sam, der seine Fingerknöchel betrachtete und die Hand schloss und öffnete. Offenbar war Pekings Kinn härter gewesen, als er erwartet hatte. »Jedenfalls ist er ohnmächtig geworden …« Am anderen Ende der Leitung wurde hörbar eingeatmet. »… und jetzt muss ihn jemand abholen.«
»Ich bin in zwanzig Minuten da.«
»Danke!«
Nachdem Tom aufgelegt hatte, starrte sie nachdenklich auf den Hörer, dann sagte sie zu Sam: »Du musst jetzt gehen.«
»Ich werde dich sicher nicht mit diesem verrückten Plag alleine lassen.«
»Ich hab vier Jahre ohne dich überlebt. Ich kann gut auf mich aufpassen.«
»Das habe ich gesehen.«
»Sam …« Sie seufzte. »Hilf mir, Peking nach unten zu bringen. Wir können ihn auf die Couch legen.«
Im Flur hatte sich Peking inzwischen aufgesetzt und hielt sich den Kopf. Er sah nicht aus, als würde er in der nächsten Zeit für irgendjemanden eine Gefahr darstellen. Er wehrte sich nicht einmal gegen Sam, als der ihn packte und über die Schulter legte, als wäre er nichts weiter als ein vollgepackter Seesack.
Im Wohnzimmer ließ Sam ihn auf die Couch fallen und setzte sich auf die Armlehne. Keine Sekunde ließ er Babel aus dem Blick. Irritiert setzte sie sich an den Esstisch, auf den Stuhl, der am weitesten von ihm entfernt stand, und überlegte, was sie nun sagen sollte. Plötzlich fiel ihr ein, was Peking gesagt hatte. Der Verschlinger. Vorher hatte sie sich nichts dabei gedacht, doch jetzt begriff sie, was es bedeutete. Er hatte Sam gemeint. Er wollte nicht, dass Sam von ihrer Schwäche für Tom erfuhr. Aber welchen Grund sollte er dafür haben? Als die Plags über sie recherchiert hatten, mussten sie festgestellt haben, dass sie keinen Kontakt mehr zu Sam hatte. Wieso hatte Peking ihn dann erwähnt?
Und ausgerechnet jetzt tauchte Sam wieder bei ihr auf?
Was hast du mit den Plags zu schaffen?
Da fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Fassungslos starrte sie Sam an. »Du hast das Haus beobachtet. Du bist gar nicht erst heute Nacht hier aufgetaucht. Du wusstest, dass ich Kontakt zu den Plags habe.«
Er antwortete nicht, was so gut wie ein Eingeständnis war.
»Ich kann nicht fassen, dass du mich beobachtest.« Heftig schüttelte sie den Kopf und merkte, wie ihr vor Wut das Blut in den Kopf stieg.
»Was regst du dich so auf?«
»Verstehst du das wirklich nicht? Wie oft habe ich dir gesagt, dass ich dich nicht wiedersehen will?«
»Du hast mich ja nicht gesehen, oder?« Er verschränkte die Arme, sein Blick wurde trotzig wie bei einem Kind.
»Wir sind hier doch nicht in einem drittklassigen Horrorfilm, wo irgendein durchgeknallter Psycho seiner Exfreundin auflauert!«
»Ich habe dir nicht aufgelauert.«
»Das ist meine Privatsphäre!« Babels Wut übertrug sich auf ihre magischen Wellen. Neben Sam stürzte die Stehlampe um.
Obwohl er ruhig sitzen blieb, zuckte seine Hand, als wolle er Babel berühren. Ein gieriger Ausdruck schlich sich in sein Gesicht. Er hatte es immer gemocht, wenn sie Magie wirkte. Das ließ sie nur zorniger werden.
Beschwichtigend hob er die Hand. »Nun komm mal wieder runter, Babel! Es ist ja nicht so, dass ich dir ständig hinterherlaufe oder deine Mülltonnen durchwühle. Als du vor zwei Jahren diese Affäre mit dem Ingenieur hattest, bin ich da etwa los und habe ihm den Kopf abgerissen? Nein. Also.«
Er wusste von ihrer Affäre? Oh Gott, wenn sie daran dachte, was er vielleicht beobachtet hatte, wurde ihr ganz schlecht. Was war ihr noch alles entgangen? Zu viele Leute hatten Interesse an ihrem Leben. Judith, die Plags und nun auch noch Sam.
»Ich begreife das nicht.«
Auf einmal sah er verletzt aus, einen winzigen Augenblick lang, bevor sein übliches Selbst die Oberhand zurückgewann. Aber sie hatte ihn gesehen, den Schmerz. Seine Stimme klang ruhig, aber sie wusste,
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