Babel und Bibel
liebt sie noch; er kann sie nicht vergessen.
Das hast du vorhin doch wohl auch gehört,
Als er von ihr und seinem Kinde sprach.
Wie nun – – –
(sich vorsichtig umsehend)
wenn sie jetzt plötzlich hier erschiene?!
Kādi
(erschrocken zurückweichend):
Ich bitte dich! Zitiere nicht Gespenster!
Imām
(betroffen):
Gespenster? Höre, meide dieses Wort?
Nicht mir ist es gefährlich, aber dir!
Du fürchtest dich!
Kādi
(herausplatzend):
Jawohl, ich fürchte mich!
Imām
(streng, im Tone einer geistlichen Gewissensfrage)
Vor ihr allein? Nicht auch vor ihrem Glauben?
Kādi
(wie Einer, der durchschaut worden ist):
Vor ihnen Beiden, auch vor ihrem Glauben,
Denn wenn geschähe, was du eben sagtest,
Daß sie sich wieder her zum Turme fände,
Wie in der Mär des alten Hākawāti,
So wären wir verloren, du und ich,
Und ebenso der heilige Islām
Mit unserm herrlich angelegten Plan – – –
Siebenter Auftritt
Der Imām. Der Kādi. Der Scheik kehrt zurück. Er hat die letzten Worte gehört.
Scheik
(dem Kādi in die Rede fallend):
Ihr sprecht von unserm Plan. Er wird gelingen.
Das ganze Lager steht in Jubelflammen.
Man wollte uns durch alle Gassen schleppen,
Doch habe ich mich glücklich losgerissen,
Um der verdienten Ruhe hier zu pflegen.
Ich bitte euch, mich drüben zu vertreten.
(sie wollen fort)
Doch halt!
(zum Imām)
Wann kommen unsre Schattenspieler?
Imām:
Noch vor der Dunkelheit, so sagten sie.
Scheik
(zum Kādi):
Und wann der Scheik der Todeskarawane?
Kādi:
Zur selben Zeit. Du hast vor ihm gewarnt.
Nun warne ich auch dich!
Scheik:
Warum auch mich?
Kādi:
Er ist so still; er hat es innerlich.
Sein Auge ist mir unbequem, sein Auge.
Es liegt Etwas darin, wie eine Schuld,
Doch nicht etwa, die er begangen hat, Nein, sondern der, der eben vor ihm steht.
Scheik:
Und der warst du! Was hast du denn begangen?
Kādi:
Begangen? Ich? Ich kenne ihn ja nicht.
Es war zum erstenmal, daß ich ihn sah.
Auch du hast ihn gewiß noch nie gesehen,
Doch wette ich, du fühlst genau wie ich,
Sobald du mit ihm redest.
Scheik
(ironisch):
Māschallāh!
Achter Auftritt
Die Vorigen. Babel und Schēfakā kommen.
Babel
(zum Scheik):
Ich sah, daß du entflohst, und folgte dir.
Da traf ich Schēfakā – – –
Scheik:
Sie kommt mir recht.
(zu Schēfakā)
Du hast die Phantasie gesehen?
Schēfakā:
Nein.
Nur ihre Schülerin war jetzt daheim.
Imām
(neugierig herantretend):
Wie sah die aus?
Kādi
(ebenso):
Jawohl, wie sah die aus?
Schēfakā:
So lieb und mild wie Gnade, ja, wie Gnade.
Im Freien muß sie stets verschleiert gehen.
Sie kommt mit ihrer Herrin dann hierher.
Scheik
(schnell):
Sie kommt also?
Schēfakā:
Sie kommt.
Scheik:
Und wann?
Schēfakā:
Vor Abend.
Sie hat mir auf mein Bitten zugesagt,
Daß sich die Phantasie bemühen werde,
Das Schattenspiel nach deinem Wunsch zu leiten.
Scheik:
Allāh sei Dank!
Imām:
Allāh sei Dank!
Kādi:
Allāh sei Dank!
Imām:
Der Streich gelingt!
Scheik:
Die Phantasie ist mein!
Imām:
Ich kann befriedigt gehen!
Kādi:
Ich kann befriedigt gehen!
(Imām und Kādi ab)
Neunter Auftritt
Der Scheik. Babel. Schēfakā.
Scheik
(ihnen nachschauend):
Da gehn sie hin, die Geister des Kurān!
Wie gern sie doch regieren, diese beiden!
So heimlich! Ohne daß man es bemerkt!
Man kann sie nur auf scharfer Trense reiten.
Im Uebrigen läßt man sie sich gefallen!
Schēfakā
(hat ein Kissen aus dem Zelte geholt, legt es auf den steinernen Thron. Zum Scheik):
Komm, setze dich, du Geist des Morgenlandes!
(während er es tut)
Ob du wohl weißt, wie gern auch du regierst!
Ganz öffentlich! Daß Jeder es bemerkt!
Man muß oft große Nachsicht mit dir haben.
Im Uebrigen gefällst du mir sehr gut!
(holt ihm einen Tschibūk, bringt Tabak, gibt Feuer, auch ihrem Vater, der seinen Platz wieder eingenommen hat und in den Büchern blättert)
Scheik
(sich behaglich dehnend):
Wie wohl ist mir!
(gibt ihr die Peitsche, die sie zur Seite legt)
Da, nimm die Peitsche hin!
Ich will mich pflegen. Fort mit dem Regieren,
Wär es auch nur um deinetwillen, Kind,
Damit ich dich einmal zufrieden stelle!
(zu Babel)
Was tun wir heut?
Babel:
Wir kleiden unsre Seele.
Schēfakā
(faltet die Hände und senkt sie tief herab, drolliger Augenaufschlag):
»Was tun wir heut?« »Wir kleiden unsre Seele!«
Wie groß das klingt, wie
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