Babel und Bibel
getragene Figur. Höchste Würde, die umso mehr ergreift, als sie im Gegensatz zu diesem Alter der Anmut nicht entbehrt. Edle, leicht gebräunte Gesichtszüge, mit einigen Alterslinien, die aber keine Falten sind. Langes, sehr volles, schneeweißes Haar, welches in zwei starke Zöpfe geflochten ist, die nach vorn geleitet sind und fast die Erde berühren. So lange sie unerkannt zu bleiben hat, versteckt sie dieses Haar unter das Gewand. Sie trägt unter diesem Gewande den in der orientalischen Sage oft erwähnten »Panzer von Krystall«, den sie aber vor Beginn des zweiten Aktes nicht anzulegen braucht, weil er erst am Schlusse des Stückes sichtbar zu werden hat. Ihr Anzug sei orientalisch, doch nicht nach irgend einem bekannten Schnitt. Faltenreich, doch ohne daß diese Falten der Schlankheit Eintrag tun. Er soll zwar den Gedanken unterstützen, daß Mārah Dūrimēh die »Menschheitsseele« ist, darf aber ja nicht phantastisch sein, weil es grad im Wesen der »Menschheitsseele« liegt, ihre herrlichen Ziele nur auf dem einfachsten, schlichtesten Wege und in der natürlichsten, prunklosesten Weise zu erreichen.
Die Ān’allāh und die acht Scheike, welche zur nächtlichen Beratung kommen, sind in die bekannte Beduinentracht gekleidet, mit Kefīje, und Agāl, doch läßt sich durch die Abwechslung in Form, Farbe und Art und Weise das Bild in hohem Grade beleben. Die Kleidung der Kirām und der Leute von der Todeskarawane wird an den betreffenden Stellen besonders angegeben.
4. Ausserdem
Das oft vorkommende Wort Scheik wird in verschiedenen Gegenden verschieden ausgesprochen. Für die vorliegenden Zwecke ist es am Besten, »Scheek« zu sagen und das zweite e wie ein leises i klingen zu lassen.
Der Islām schreibt für den Tag fünf Gebete vor und erlaubt dem eifrigen Moslem, des Nachts noch zwei hinzuzufügen. Warum es hier, sowohl beim Asr und Moghreb als auch dann zuletzt beim Ūla, nicht zum eigentlichen Gebete kommt, hat man Abū Kitāl verantworten zu lassen, doch ist es notwendig, die Form zu wahren, daß jeder Beter sich seines Gebetsteppichs zu bedienen hat, der allerdings kein wirklicher Teppich zu sein braucht. Es genügt jeder Schahl, jedes Kopf-oder Gürteltuch, ja jedes Stück Zeug, welches so groß ist, daß man darauf knieen kann. Das Hervorsuchen und Vor-sich-hinbreiten dieser Hilfsmittel, sobald die Gebetsbretter geläutet werden, muß mit aller derjenigen Umständlichkeit und Feierlichkeit geschehen, welche der Aufgabe des Stückes entsprechen. Sobald das Gebet vorüber ist, hat Jeder die knieende Stellung zu verlassen und seinen »Gebetsteppich« in derselben Weise wieder an sich zu nehmen.
Das Ūmehā ist von Allen mitzubeten, allein nur Schēfakā und später dann auch Bēn Tesālah und Mārah Dūrimēh aus genommen. Diese eigentlich von den »heulenden Derwischen« herübergekommene Gebetsform wird sprechgesungen, und zwar unisono nach folgenden Noten:
Āl-lah, Āl-lah ū-me-hā, Mū-ham-mād Rha-sūl Al-lāh!
Dieser Satz wird unausgesetzt so lange wiederholt, wie es dem Vorbeter beliebt. Bei dem Zeichen ⋁ wird Kopf und Oberkörper verneigt, bei ⋀ wieder aufgerichtet. Man beginnt langsam und würdevoll, steigert aber die Schnelligkeit nach und nach so, daß der Körper mit seinen Verneigungen den Worten nicht mehr folgen kann; das Gebet schnappt dann atemlos ab, um von Neuem langsam zu beginnen.
Die »Fāt’ha« ist die erste Sure des Kurān; sie heißt darum die »Eröffnung« (hebräisch: patthach = er öffnete). Sie steht für die Muhammedaner an der Stelle des christlichen Vaterunsers.
Jedermann ist in irgend einer Weise bewaffnet, die bei der Beratung zuhörenden Krieger sogar mit Säbel, Schild und Spieß. Darum ist es dem Scheike Abū Kitāl möglich, sich von ihnen zu bewaffnen und dasselbe auch für den Scheik der Todeskarawane zu verlangen. Die »Klinge des Kismēt« trägt er gleich von Anfang an in der Gürtelschnur.
Die Akzentuierung der arabischen Ausdrücke ist genau bezeichnet. Sie ergibt sich außerdem aus der Skandierung des Textes ganz von selbst. Fettgedruckte Wörter sind besonders zu betonen, auch wenn ihre Bedeutung nicht sofort zu erkennen ist.
Erster Akt
Situation
Schon bevor der Vorhang sich hebt, hört man arabische Instrumente, die wie zu einem Tusch zusammenklingen, und es ertönen die gebräuchlichen Beifallsrufe wie »Brāwo!« »Āferīm!« »Āfak!« »Māschallāh« und »Tamām!« Dieser Beifall gilt dem Scheik, der neben dem Throne
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