Baby-Bingo
Und bleibt wie angewurzelt vor meinem Schreibtisch stehen, obwohl ich telefoniere.
»Donnerstag um neun Uhr ist es so weit. Erntezeit. Du weißt, was ich meine …«
Hoffentlich versteht Martin meine verschlüsselten Worte.
»Der Gärtner steht mit seinem Spaten bereit«, antwortet er, und ich muss grinsen.
»Guten Morgen.« Frau Schmidt, die Sprechstundenhilfe, lächelt uns an. »Wenn Sie bitte kurz mit mir kommen, Herr Moretti.«
Ich bin aufgeregt, und mir ist ein bisschen schlecht. Was sicher auch daran liegt, dass ich noch nicht gefrühstückt habe. Ich muss nüchtern sein. Aufregung und ein leerer Magen – diese Kombination ist nichts für mich. Schon gar nicht, wenn meine Eizellen gleich abgesaugt werden sollen. Ich bin froh, dass Martin bei mir ist. Während er in einem kleinen Nebenzimmer verschwindet, um seinen Beitrag zur Behandlung zu leisten, werde ich für die Punktion vorbereitet.
Die Entnahme der Eizellen erfolgt unter Narkose. Dabei werden die Eizellen mithilfe einer Ultraschallsonde aus meinem Eierstock entnommen und mit den Spermien von Martin gemischt. Danach kommen sie in einen Brutschrank und wer den bei kuscheligen 37 Grad erst mal beobachtet. Ob es zu einer Befruchtung gekommen ist, werden wir dann morgen erfahren.
Das Erste, was ich sehe, als ich aus der Narkose aufwache, sind die Malediven. Genauer gesagt, ein Foto mit Palmen, Strand und türkisfarbenem Meer auf dem Kalenderblatt eines Pharmakonzerns. Bis ich aber realisiere, wo ich tatsächlich bin, dauert es eine Weile. Ich liege im Aufwachraum, und mir ist noch immer ein bisschen schwindelig. Die Tür geht auf, und Martin kommt rein.
»Wie geht es dir?« Er setzt sich und greift nach meiner Hand. »Es ist alles gut gelaufen, Carla. Frau Doktor Steinberger hat dir zehn Eizellen entnommen.«
Er schaut mich liebevoll an. Und ich habe das Gefühl, einen gewissen Stolz aus seiner Stimme zu hören.
»Und wie viele Eizellen haben sie dir dann wieder eingesetzt?« Marie sieht mich neugierig an.
Ich liege auf dem Sofa in eine Decke gewickelt und löffle Hüttenkäse. Die nächsten Wochen soll ich wieder mal viel Eiweiß essen.
»Drei. Von zehn Eizellen haben es fünf geschafft. Und die drei dicksten und fettesten haben sie mir dann wieder eingesetzt. Der Rest wurde eingefroren.«
»Eingefroren?«, fragt Marie.
»Na ja, es wäre doch schade, sie nicht aufzuheben. So können sie eventuell später noch mal verwendet werden. Kryokonservierung nennt man das.«
»Was? Gyros-Konservierung?«
Wir müssen lachen. Das hätten wir uns früher auch nie vorgestellt, dass wir uns irgendwann mal über eingefrorene Eizellen unterhalten würden.
»Kryokonservierung«, wiederhole ich. »Kommt von kryos , das griechische Wort für Kälte.«
»Aha. Und was passiert jetzt?«, fragt mich Marie.
»Wir warten. Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung, wie ich die nächsten zwei Wochen überstehen soll. Das Warten ist immer das Schlimmste.«
Martin
Der Guru
Vor zwei Jahren hätte ich mich wohl noch über Carla lustig gemacht. Aber inzwischen kann ich verstehen, dass sie jede Möglichkeit in Betracht zieht, um doch noch schwanger zu werden. Auch Methoden weit jenseits der Schulmedizin. Alle Mittel, die eventuell zum Erfolg führen könnten, sind ihr willkommen. Und mir ebenso.
Denn die Zeit verstreicht unerbittlich. Und auch ich bin zum ersten Mal völlig rat- und mutlos, nachdem die IVF erfolglos blieb. Ein Schock. Ich war felsenfest davon überzeugt, dass es damit klappen würde, ich hatte den Möglichkeiten der Hightech-Medizin bedingungslos vertraut. Deshalb hatte ich erst gar keinen Plan B entwickelt.
Wie soll es also weitergehen? Soll es denn überhaupt wei tergehen? Machen wir uns nicht immer mehr zu Sklaven unseres Kinderwunsches? Sollen wir nicht irgendwann akzeptieren, dass es keinen Anspruch darauf gibt, ein Kind zu bekommen, so wie man Anspruch auf Schulbildung hat? Das Leben verläuft eben nicht immer in vollständigen Hauptsätzen. Manchmal fehlt das Verb, oft bleibt der Satz unvollendet.
Andererseits: Sollen wir den Kampf einfach aufgeben? Gerade jetzt, nachdem es doch einmal, zumindest in Ansätzen, gut ging. Wir würden uns im Nachhinein sicher nicht verzeihen, wenn wir nicht buchstäblich bis zur letzten Minute alles versucht haben.
Nun, wir könnten die IVF-Behandlung wiederholen. Wir könnten das in einem Land mit noch höheren Erfolgschancen als in Deutschland tun. Aber da wir beide Jobs haben, die uns sehr fordern, sind der
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