Babylon in Hongkong
läßt.«
»Scheint mir auch so.« Er nickte versonnen, bevor er seinen Weg fortsetzte.
Die Treppe war zwar schmal, aber durchaus stabil gebaut worden. Wir brauchten keine Befürchtungen zu haben, daß sie unter unseren Füßen wegbrach.
Hintereinander schritten wir in diese dumpfe, drückende Stille hinein, die mir auf den Atem drückte. Ich hatte den Eindruck, nicht mehr genügend Luft zu bekommen.
Alles war eng, auch die Kammern, die jetzt an der linken Seite erschienen, als wir die Treppe hinter uns gelassen hatten und den Gang durchschritten.
»Wo liegt deine Zelle?«
Suko deutete nach vorn. Der Lichterstrahl bohrte sich in die Finsternis. Die Fußspuren sahen wir nicht mehr. Es war kaum ein Laut zu hören. Manchmal nur drang von außen Vogelgezwitscher an unsere Ohren. Mit den Schriten tat ich mich etwas schwer, manchmal hatte ich den Eindruck, als würde Blei an meinen Füßen hängen.
Die Türen der einzelnen Zellen waren nicht mehr vorhanden. Ich hatte in verschiedene Räume hineingeleuchtet und gesehen, wie spartanisch sie eingerichtet waren. Hier sein Leben lang zu beten, zu meditieren und zu arbeiten, das wäre nichts für mich gewesen.
Suko blieb stehen. Noch mußte er zwei Schritte gehen, um seine alte Zelle zu erreichen. »Das ist sie!« flüsterte er. »Dort müssen wir hinein. Du wirst jetzt alles sehen.«
»Willst du vorgehen?«
»Ja.«
Er mußte sich ducken, um die Schwelle überschreiten zu können. Durch das schmale Zellenfenster der Tür gegenüber drang ein Streifen Licht, der sich nicht allein auf dem Boden verteilte, sondern auch über eine Gestalt floß, die direkt unter dem Fenster saß und mit ihrem Rücken an der Wand lehnte.
Wir blieben beide stehen, als hätte man uns gestoppt. Der Mann, der dort hockte, war alt, sehr alt. Er war eingepackt in eine Decke, besaß ein greisenhaftes, faltiges Gesicht, in dem die Augen als verwaschene Flecke tief in den Höhlen lagen und ungewöhnlich schimmerten. Er schaute uns entgegen, bewegte den Mund, so daß uns ein pfeifender Atemzug anwehte.
Die Stimme laut zu erheben war hier fehl am Platz, deshalb stellte ich eine flüsternde Frage. »Kennst du ihn, Suko?«
»Ich… ich bin mir nicht sicher.«
»Dann frag ihn.«
Der Alte hob seinen Arm. Dabei zitterte sein dünnes Barthaar ebenso wie die letzten Strähnen auf seinem Schädel. Die Lippen zuckten, und er wisperte nur ein Wort.
»Suko…«
Mein Freund zuckte zusammen. Nicht allein wegen seines Namens. Ihm war eingefallen, wer da vor ihm hockte. »Du… du bist der Bonze, nicht wahr? Du bist der Bonze.«
»Das bin ich.«
»Wer bitte?« fragte ich.
»Der Bonze des Klosters. Er hat für alles gesorgt. Er war derjenige, der auch Kontakt zur Außenwelt unterhielt, denn unser Abt kümmerte sich nicht darum. Laß mich mit ihm reden, John.«
»Bitte.«
Suko beugte sich vor. »Wenn du der Bonze bist, und wenn ich dich hier finde, so möchte ich gern von dir wissen, wo sich die anderen aufhalten. Der Abt, die Mönche…«
»Sie alle sind gegangen.«
»Warum?«
»Jemand kaufte das Gebiet, er kaufte einfach unser Kloster. Wir wurden vertrieben und waren nicht mehr in der Lage, einen neuen Ort zu linden. Wir sind in alle Winde zerstreut worden.«
»Aber du bist geblieben — weshalb?«
»Ich bin nur zurückgekehrt, weil ich wußte, daß ihr kommen würdet. Ich habe lange nachgedacht und bin zu keinem guten Resultat gekommen. Ich habe nicht genau herausfinden können, wer das Kloster und das Land hier kaufte. Angeblich eine Filmfirma, die diese schlimmen Dinge drehte, aber sie haben sich nie gerührt.« Er sprach nicht flüssig, zwischen den Worten holte er stets röchelnd Luft.
»Hast du einen anderen Verdacht?«
Der Bonze nickte sehr langsam. »Den habe ich, doch er war nicht zu beweisen.«
»Wer?«
In die Augen des alten Mannes trat so etwas wie Härte. »Wenn ich dir das sage, Suko, wirst du erschrekken. Wir alle waren stolz auf dich, daß du es in einem fremden Land geschafft hast…«
»Wer, bitte?«
»Der Mandarin!«
Ich hatte Suko von der Seite her angesehen, kannte ihn gut, und als seine Wangen zuckten, da wußte ich, daß er sich nur mühsam unter Kontrolle halten konnte.
Trotz seines Alters mußte der Greis scharfe Augen haben, denn er bemerkte ebenfalls die Überraschung bei Suko. »Nun, du sagst nichts mehr.«
Der Inspektor hob die Hand, ließ den Arm aber wieder sinken, bevor die Finger sein Gesicht berühren konnten. »Der Mandarin also«, hauchte er.
»Immer
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