Babylon in Hongkong
kannst. Sie lauern immer irgendwo.«
»So kenne ich dich kaum.« Mein Lächeln fiel kantig aus. »Man könnte meinen, daß du dich um einhundertachtzig Grad gedreht hast.«
»Nein!« sagte Suko, »das habe ich nicht. Aber ich kenne die weißen Masken. Ich weiß um ihre Grausamkeit. Sie können uns, wenn sie wollen, das Genick brechen. Und ich weiß auch, daß etwas auf uns zukommt. Es rollt lautlos heran. Bezeichne es meinetwegen als eine unsichtbare Walze, die kaum zu stoppen ist.«
»Aber wir müssen weitermachen. Die Spur ist abgebrochen. Wer kann uns helfen, an die weißen Masken heranzukommen?«
»Ich habe keine Ahnung. Es wäre einen Versuch wert, den Knochensetzer zu besuchen.«
»Das wollte ich dir auch vorschlagen.«
»Um den Toten kann sich Tarn kümmern«, sagte Suko. »Er sollte abgeholt werden.«
Wir gingen über den Innenhof, und das Prickeln auf meinem Rücken blieb. Ich schaute des öfteren hoch zu den schmalen Vorbauten und Baikonen, ohne dort allerdings einen Menschen zu sehen, der uns beobachtet hätte.
Die weißen Masken hielten sich zurück und arbeiteten ganz im Sinne ihres Herrn und Meisters.
Staub wehte uns nach dem Verlassen des Klosters entgegen. Der grüne Scorpio hob sich vom braungelben Erdreich ab wie ein Relikt, daß jemand abgestellt und bewußt vergessen hatte.
Tarn sahen wir nicht.
Wir wunderten uns erst, als wir ihn auch nicht im Fahrzeug sitzen sahen. Er war verschwunden.
Über das Dach hinweg schauten wir uns an. Suko entdeckte den noch steckenden Zündschlüssel. Sehr langsam bewegte er den Kopf in meine Richtung. »John, sie haben ihn geholt. Sie haben ihn…«
»Das ist nicht sicher.« Ich suchte den Boden nach Spuren ab. Da war nichts zu entdecken.
»Doch, sie sind lautlos, sie sind immer zur Stelle, wenn man sie braucht, und sie beherrschen ihre verdammten Waffen perfekt. Sie töten dich auf vielfältige Art und Weise, denn sie haben die subtilen Methoden aus dem alten China nicht vergessen. Ihre Spezialität waren auch Haarnadeln, deren Spitzen sie vergifteten.«
Ich erwiderte nichts, aber das Prickeln auf dem Rücken war zu einer Gänsehaut geworden. Manchmal überkam mich mein Mißtrauen wie ein heißer Schwall. Ich legte mich auf den Boden und schaute unter dem Wagen nach. Wie leicht konnte dort jemand eine Bombe deponiert haben.
Sie war nicht vorhanden. Als ich mich erhob und mir den Staub aus der Kleidung klopfte, hatte Suko den Kofferraum geöffnet. »Nichts, nur unser Gepäck.« Er schlug die Haube wieder zu. »Wie stehst du zur der Sache, Alter?«
»Kann es sein, daß man uns mit diesem Tarn jemand untergeschoben hat, der falschspielt?«
Mein Freund atmete scharf aus. »Das ist alles möglich, John. Rechnen müssen wirmitdem Schlimmsten.«
»Eine Frage. Sollen wir suchen oder fahren?«
»Fahren.«
»Gut.«
Er hatte bereits die Fahrertür geöffnet und stieg ein. Nach einem letzten Rundblick, der ebenfalls nichts brachte, ließ ich mich auf den Beifahrersitz fallen.
Suko hatte eine gespannte Haltung eingenommen, als er startete. Es klappte wunderbar. Nichts explodierte, als der Motor ansprang. Diese normale Kleinigkeit reichte bei uns aus, um aufatmen zu können. In diesem verdammten Fall freute man sich schon über winzige Dinge, die eigentlich selbstverständlich waren.
Suko drehte den Wagen. Ich hatte meine Scheibe geöffnet und hörte nur das Rollen der Räder auf dem harten Boden. Ansonsten blieb es still wie in einer großen Gruft.
Der Staub verschwand, als wir das Plateau mit dem Kloster hinter uns gelassen hatten und auf den Weg einbogen, der als Schlauch durch den dichten Wald führte.
Ein Wald, der mir überhaupt nicht gefiel, mir unheimlich vorkam wie undurchdringliche Wände rechts und links, die alles verbargen, jedes Geheimnis für sich behielten und es nie mehr freigeben würden. Manchmal rollten wir auch durch einen grünen Tunnel, wenn über uns die Zweige der Bäume zusammenwuchsen.
Mir wollte das Bild des toten Bonzen nicht aus dem Kopf. Es hatte sich regelrecht festgebrannt, und ich bekam den Eindruck, als würde sich sein Gesicht vervielfältigt innerhalb des Unterholzes abzeichnen und uns ständig warnende Grüße zusenden. Diese Fahrt kam mir schlimm vor. Ich empfand sie als klebrig und voller Gefahren steckend. Der Himmel über uns war kaum zu sehen. Und wenn, dann sahen wir ihn als grünes Flimmern mit hellen Inseln, durch das Sonnenlicht drang und Tupfer auf dem Weg hinterließ.
Zum Schneiden dick kam mir die Luft
Weitere Kostenlose Bücher