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Babylon in Hongkong

Babylon in Hongkong

Titel: Babylon in Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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noch? Nein, das geht nicht…«
    »Schon wieder«, bemerkte der Bonze flüsternd.
    »Aber er ist tot. Der Mandarin lebt nicht mehr. Man hat ihn begraben, glaube ich.«
    »Das ist lange her, und man hat ihn nicht begraben. Er stürzte von einem Felsen, er verschwand, es hielt sich das Gerücht, daß er begraben würde, aber ebenso hielt sich das Gerücht, daß er irgendwann einmal wieder auftauchen könnte. Das ist nun geschehen. Hongkong ist zu einem Babylon geworden, Suko. Babylon in Hongkong. Es ist einfach schlimm und schrecklich.«
    »Und du bist dir sicher?« fragte Suko nach einer Pause des Nachdenkens.
    »Nicht ganz, ich spüre es nur. Die Männer, die Diener des Mandarins, sie sind überall zu finden. Sie huschen wie Schatten durch die Stadt und verbreiten die Nachricht von seiner Rückkehr flüsternd. Er ist wieder der große Meister geworden.«
    Ich hatte zwar alles verstanden, doch nur das wenigste davon begriffen. Deshalb wandte ich mich an meinen Freund mit der Bitte, mir etwas mehr zu erklären.
    »Nun ja, ich will es kurz machen. Der Mandarin ist hier in der Stadt ein Begriff. Er hält die mystischen Fäden in den Händen, er ist gewissermaßen ein Mafiabüß auf magischer Seite. Er kennt die Tricks, er kennt die Beschwörungen, er kann dich vernichten, er kann dich reich werden lassen, er kann alles mit dir anstellen. Er ist grausam, er ist gnadenreich. Kein Licht ohne Schatten, keine Liebe ohne Haß, der Mandarin beherrscht alles. Über Hongkong hat er sein unsichtbares Netz gespannt, und es gibt nur wenige, die versuchen, ihm entgegenzutreten.«
    »Wer, zum Beispiel?«
    »Die Mönche, die meisten jedenfalls.«
    »Wir haben es auch versucht«, erklärte der Bonze. »Denk daran, Suko, daß auch die Welt tausend Augen und Ohren besitzt. Wir wußten über dich Bescheid, wir haben erlebt, wie du in London eine Aufgabe übernommen hast, auf die wir alle stolz sein konnten, und wir wußten uns keinen Rat mehr, als dich oder euch zu benachrichtigen.«
    »Dann habt ihr Feng geschickt?«
    »Ja, Feng. Er ist wie der Wind gewesen, so schnell, so unsichtbar. Das jedenfalls haben wir angenommen. Wir hofften, daß er sich aus der Stadt schleichen würde, was er auch getan hat. Ihr seid hier, aber ich habe schlimme Träume gehabt. Was ist mit ihm?«
    »Tot«, erklärte Suko. »Er ist tot. Er konnte mir noch einen Brief meines Vaters übergeben.«
    Der Greis erschrak. »Dann hast du ihn gelesen?«
    »Natürlich.«
    »Muß ich dich noch fragen, was du dabei gedacht hast?«
    »Nein, das brauchst du nicht. Ich bin völlig überrumpelt worden. Aber ich weiß noch immer nicht, ob mein Vater nun lebt oder nicht. Mit Feng habe ich nicht sprechen können. Kannst du mir sagen, was mit meinem Vater geschehen ist?«
    Der Bonze starrte uns beide an. In den Gesichtsfalten hatte sich Schweiß gesammelt. Er machte mir einen Eindruck, der mir überhaupt nicht gefiel. »Dein Vater, Suko… du… du weißt es nicht?«
    »Ich lüge dich nicht an, Bonze. Nur kann ich mir nicht vorstellen, daß er noch am Leben ist.«
    Der Bonze bekam sehr große Augen. »Dein Vater…« Plötzlich fing er an zu röcheln. Dabei quoll rot gefärbter Schaum aus seinem Mund und legte sich auf die Lippen. »Dein Vater ist… zu spät… zu spät…« Er kippte nach vorn, als hätte ihm jemand einen Stoß in den Rücken gegeben. Wir konnten keinen ersichtlichen Grund ausmachen. Das geschah erst später, als er bereits vor uns lag.
    Da starrten wir auf einen knochigen Rücken, der in Blut und aufgerissenem Fleisch schwamm. Welche Waffe dieses Grauen zu verantworten hatte, wußten wir nicht. Jedenfalls hatte sie es trotz allem noch geschafft, den Bonzen zu töten, der sich mit einer nahezu übermenschlichen Kraft am Leben gehalten hatte. Suko ballte die Hände zu Fäusten. Ich war grau im Gesicht geworden, drehte mich weg und schaute auf den schmalen, zu niedrigen Eingang, als könnte dort jeden Moment jemand erscheinen und mit einer Maschinenpistole aufräumen. Die Tür blieb leer.
    Suko beschäftigte sich mit dem Toten. Ich trat bis an das Fenster vor. Es lag günstig in Gesichtshöhe. So konnte ich bequem hinausschauen und über das grüne Bergland blicken.
    Sonne, Himmel und weiße Wolken vereinten sich zu einem flimmernden Panorama. Flugzeuge hatten über Kowloon die normalen Vögel verdrängt. Es gab keine Minute am Tage, wo über der Stadt nicht irgendwelche Flugzeuge kreisten.
    Tam sah ich nicht. Eine Mauerecke verdeckte den Blick auf ihn und seinen

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