Babylon in Hongkong
zunächst in die relative Einsamkeit des Berglandes. Neben einem seegrünen Ford, der Tarn gehörte, blieben wir stehen.
Tarn lächelte uns über das Wagendach hinweg an. »Ich wollte euch noch eines sagen, Freunde.«
»Bitte.«
»Verwechselt Hongkong nicht mit London, obwohl die gleiche Sprache gesprochen wird wie im Mutterland. Hier ist alles anders. Rechnet damit, daß man über euch Bescheid weiß.«
»Wer sollte es denn wissen?«
»Habt ihr keine Feinde?«
»Noch nicht«, sagte ich.
»Die Stadt hat unzählige Augen und Ohren. Die Stadt sieht und hört alles, davon muß man ausgehen.«
»Ich habe hier mal gelebt«, klärte Suko den Kollegen auf.
»Das dachte ich mir.«
Wir stiegen ein. Ich ließ Suko vorn auf dem Beifahrersitz seinen Platz einnehmen, während ich es mir hinten bequem machte. Der Scorpio war breit genug, um auch nieine relativ langen Beine vernünftig unterzubringen.
Wir rollten aus dem Wirrwarr der Straßen und Zubringer am Flughafen so rasch wie möglich hinaus, um uns in Richtung Norden zu wenden, wo die dicht bewachsenen Berge wie ein grüner Hügelteppich vor uns lagen. In der Tat zeigten die Kämme, Täler und Sättel ein dichtes Grün, das allerdings an einigen Flancken aufgerissen war, denn dort schimmerten helle Fassaden prunkvoller Villen, die den Hongkonger Millionären gehörten, und davon gab es in dieser Stadt eine ganze Menge. Wir fuhren hoch, viele Fahrzeuge kamen uns entgegen, und es waren nicht die billigsten. Jaguar, Rolls-Royce, auch die teuren Italiener, das waren keine Seltenheiten. Hinter den meisten Lenkrädern saßen die Chauffeure, eingepackt in ihre Uniformen.
Das Wetter war schwül. Man hatte uns gewarnt, aber daran änderten wir nichts. Die Leinenklamotten verhinderten, daß wir zu sehr durchschwitzten. Aircondition besaß der Scorpio nicht, so hatten wir die Scheiben nach unten fahren lassen und genossen die Luft, die in das Fahrzeug wirbelte, vermischt mit zahlreichen Düften, die uns aus dem dichten Wald entgegenströmten.
Stichstraßen führten oft genug von der normalen Fahrbahn weg in das dichte Grün. Sie endeten meist bei den Villen der Superreichen, von denen einige gesichert waren wie Festungen.
Der Wagen kletterte immer höher. Wenn ich mich drehte und durch die Rückscheibe schaute, konnte ich über Kowloon hinwegblicken, bis hin zur Insel Hongkong, deren Hochhaussilhouette wie eine Trutzburg gegen Gefahren aus dem Norden stand.
Wolken zeigten sich am Himmel. Weiße, breite Tupfer, die im Blau leuchteten.
Ich hatte auch auf Verfolger geachtet, doch mir war nichts aufgefallen. So schaute auch ich nach vorn und hörte Suko nach dem Weg fragen.
»Es sieht alles so verändert aus. Kennen Sie das Kloster auch?«
»Ich hoffe. Zumindest den Weg.«
»Aber nicht bis zum Golfplatz.«
»Keine Sorge.«
Eine Reihe von Schülern — alle uniform gekleidet, die Mädchen trugen weiße Blusen und blaue Röcke, die Jungen statt Röcke Hosen — kam uns entgegen. Die Gruppe wurde von zwei Lehrerinnen begleitet. Eine ging vorn, die andere am Schluß der Reihe.
Tarn stoppte neben der vorderen Lehrerin. Er sprach sie mit lauter Stimme und in Hongkong-Chinesisch an. Die Lehrerin, eine zierliche Person mit Pferdeschwanz, lächelte, nickte, lächelte wieder, dann erst gab sie die Antwort. Dabei blieben die Schüler ruhig wie Kadetten. Die Lehrerin bewegte ihren Arm und deutete weiter hoch in die Hügel. Tarn stellte noch eine Frage, und die Lehrerin schüttelte bedauernd den Kopf, wobei sie noch die Schultern hob.
Unser Fahrer bedankte sich und startete wieder. Erst als wir die Gruppe passiert hatten, rückte er mit einer Erklärung heraus. »Ich habe sie nach dem Kloster gefragt.«
»Und?«
»Sie kennt es, aber sie hat auch gesagt, daß wir es schwer haben würden, noch etwas zu finden.«
»Wurde es zerstört?« fragte Suko.
»Das nicht. Verlassen.«
Mein Freund nickte. »So etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht. Verdammt auch.«
»Sollen wir trotzdem weiterfahren?«
Er nickte Tarn zu. »Auf jeden Fall, mein Freund. Es kann ja sein, daß nicht alle Mönche weg sind. Möglicherweise finden wir jemand in der Umgebung, der uns Auskunft geben kann. Oft muß man indirekte Wege gehen, um ein Ziel zu erreichen.«
»Gut gesagt, Suko, wirklich gut.« Tain gab wieder Gas. Nach einer weiten Kurve, in der nicht weit vom Straßenrand entfernt eine halbrund gebaute Villa lag, mußten wir die Fahrbahn verlassen, um in einen Weg einzubiegen, der ziemlich steil
Weitere Kostenlose Bücher