Baccara Exklusiv 56
erklärte Alice und mir andauernd, sobald die Firma sich fest etabliert habe, würden sie jemanden engagieren, der ihren Platz einnähme. Ständig versprach sie uns, dann zu Hause zu bleiben und sich nur noch um ihre Familie zu kümmern.“
Williams Stimme klang immer ausdrucksloser. „Doch meine Mutter war genauso fasziniert von der Herausforderung und der Aufregung des Geschäftslebens wie mein Vater und arbeitete weiter und weiter. Als er dann starb, sprang sie ganz für ihn ein und übernahm die Firma. Zu Hause war sie noch seltener, weil ihr Hauptinteressen der Firma mittlerweile im Ausland lagen. Heute lebt sie in London und betreut die europäischen Kunden.“
„Und wer hat sich um Sie und Alice gekümmert?“, fragte Bailey vorsichtig.
„Eine lange Reihe von Haushälterinnen. Sie kamen und gingen. Alice hat später dann auch bei ‚Lansing Investments‘ gearbeitet, bis sie Raymond heiratete. Seitdem konzentriert sie sich auf ihre zwei Kinder, ihr Heim und eine Menge wohltätige Projekte. Ihre Kinder werden sich später einmal liebevoll daran erinnern, dass sie nach der Schule nach Hause gekommen sind und mit ihrer Mutter darüber sprechen konnten, was sie den Tag über erlebt haben.“
William machte erneut eine kurze und sehr beredte Pause. „Alice ist einzigartig. Solche Ehefrauen und Mütter wie sie gibt es heute nicht mehr. Jedenfalls nicht sehr oft.“ Er musterte Bailey aufmerksam, er vertiefte sich geradezu in ihr Gesicht, während er auf eine Reaktion von ihr wartete.
„Das stimmt wohl“, erwiderte Bailey und zeigte nicht einmal den Anflug eines Lächelns. „Dass Ihre Schwester sich so ausgefüllt fühlt durch die Rolle, die sie gewählt hat, ist wundervoll. Viele Frauen …“ Sie zögerte und blickte auf ihre Serviette. Erst faltete sie sie, dann glättete sie sie wieder. Als sie schließlich weitersprach, war ihre Stimme so leise, dass William sich vorbeugen musste, um sie hören zu können. Ihr Blick war dabei immer noch auf die Serviette gerichtet, als hätte sie noch nie zuvor eine gesehen.
„Viele Frauen jedoch drängen ihre Träume in den Hintergrund, bis all das, was sie hätten sein und in der Welt erreichen können, in ihnen abgestorben ist. Auf einmal empfinden sie es dann so, als hätten sie nie wirklich gelebt.“
Sie blickte langsam auf und sah ihm in die Augen.
„Wissen Sie, was mit diesen Frauen geschieht, wenn das letzte oder einzige Kind von zu Hause weggeht, William? Wenn sie plötzlich vor einem sozusagen leeren Nest stehen? Oder noch schlimmer, wenn ihr Mann stirbt oder sie verlässt, um eine anderes Leben zu führen oder mit einer anderen Frau zusammen zu sein? Sie sind verlorene Seelen, diese aufopferungsvollen Mütter und Hausfrauen. Sie sehen keinen Sinn mehr in ihrem Leben, haben kein Ziel mehr. Sie haben nichts, gar nichts.“
Erwidere etwas, Lansing, forderte William sich im Stillen selbst auf. Widersprich ihr. Stell das Gegenmodell zu Baileys unglaublich negativer Sichtweise dar. Aber, verdammt, er wusste nicht, was er sagen sollte.
Baileys starke Gefühle zu diesem Thema verblüfften ihn vollkommen. Das Ganze war ihm ein Rätsel, und offensichtlich fehlten wesentliche Teile des Puzzles.
„Bailey“, begann er.
„Meine Güte.“ Bailey zwang sich zu einem Lächeln, aber ohne großen Erfolg. „Da habe ich ja eine geradezu politische Rede gehalten, was? Vergessen Sie all das einfach. Ich …“
„Hatschi!“
„Nun fangen Sie schon wieder damit an. William, Sie sollten zu Hause im Bett sein, Saft trinken und eine Tablette nehmen. Und ich bin erschöpft von dem langen Tag auf dem Basar. Lassen Sie uns für heute Schluss machen, okay?“
Damit griff Bailey nach ihrer Tasche und schob ihren Stuhl zurück, sodass William keine andere Wahl blieb, als der Kellnerin ein Zeichen zu geben, die Rechnung zu bringen.
Draußen auf dem Parkplatz dankte sie ihm für das Dinner, sagte, es sei ihr ein Vergnügen gewesen, ihn kennenzulernen, wirbelte herum und eilte zu ihrem Auto.
Fassungslos blickte William ihr nach.
Nachdem der Sonntag trüb und wolkig gewesen war, schien am Montag die Sonne, und der Himmel war klar. Der Wetterbericht sagte allerdings erneut Regen voraus, aber mittags waren noch keine dunklen Wolken zu sehen.
Bei „Lansing Investments“ gab es viel zu tun. Williams Mitarbeiter, drei weitere Börsenmakler und ihre Sekretärinnen, arbeiteten hoch konzentriert. William selbst jedoch war nicht so gut in Form.
„Hatschi!“
Seine
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