Baccara Exklusiv Band 04
und steuerte in eine freie Ecke der Scheune. Dort stapelten sie die Futtersäcke auf ein Holzgestell, das sie vor Bodenfeuchtigkeit schützte.
"Warum hat Clem nach seinem Autounfall nicht einfach anderswo einen neuen Anfang gemacht?" fragte Mike.
"Würden Sie einfach auf und davon gehen und das Land zurücklassen, das Sie sechzig Jahre lang bearbeitet haben? Sich von den Menschen trennen, die Sie Ihr Leben lang kannten? Für einen Mann, der niemals seinen Fuß über die Grenzen dieses Bezirks gesetzt hatte, war es undenkbar, anderswo zu leben. Tut mir Leid, aber ich kann es nur schwer verstehen, warum Menschen ihre angestammte Heimat verlassen."
"So wie ich es sehe, ist es sogar ganz leicht zu verstehen", gab Mike zurück. "Wenn es nichts als Armut gibt und keinerlei Zukunftsperspektiven, dann muss man eben gehen. Mein Dad erzählte mir einmal, er habe jahrelang versucht, seinen Lebensunterhalt mit ein paar kümmerlichen Apfelbäumen zu verdienen. Er musste sein Einkommen mit Gelegenheitsarbeiten aufbessern, und trotzdem konnte er die Familie nicht ordentlich ernähren. Ich begreife nicht, was falsch daran sein soll, wenn man eine solche Heimat aufgibt. Meine Eltern wünschten sich sehr, dass es mir einmal besser ginge, und ehrlich gesagt, ich bin verdammt froh, dass sie von hier fortgezogen sind."
Sie seufzte. "Wenn Sie es so darstellen, kann ich die Einstellung Ihrer Eltern natürlich verstehen", gestand sie. "Aber Sie sind niemals auch nur zu Besuch zurückgekehrt. Niemand hat je wieder von Ihrer Familie gehört – einschließlich Clem, der immerhin der Bruder Ihres Vaters war."
In Mikes grünen Augen blitzte es ärgerlich auf. "Aus Ihrem Mund klingt das, als seien wir ein Haufen Widerlinge. Vielleicht hatte es Streit zwischen den Brüdern gegeben. Ich zum Beispiel wusste bis vor zwei Wochen noch nicht mal etwas von der Existenz eines Clem Shaner! Vielleicht war es meinen Eltern auch unangenehm, hierher zurückzukehren, nachdem mein Vater ein bisschen Geld im Grundstücksgeschäft gemacht hatte, wer weiß das? Aber meine Eltern waren ordentliche, gute Menschen, egal, was Sie über sie gehört haben. Und ich werde nicht zulassen, dass Sie …"
"Waren?" Oh, je, was hatte sie da angerichtet?
"Ja, sie sind beide tot. Wenn sie noch lebten, hätten sie diese Ranch geerbt, nicht ich."
Sie fühlte sich schäbig und entschuldigte sich bei ihm. "Es tut mir Leid, Mike. Es war nicht richtig, dass ich so über Ihre Familie gesprochen habe. Ich kannte sie ja nicht einmal. Ich habe nur Gerüchte weiterverbreitet. Das ist eine schlechte Angewohnheit. Seien Sie mir nicht böse."
Mike nickte. Es gefiel ihm, dass Karen in der Lage war, einen Fehler zuzugeben. Viele konnten das nicht. "Lassen Sie uns lieber das restliche Futter abladen. Hört sich an, als zöge ein Sturm herauf."
Während sie die letzten Futtersäcke schleppten, überlegte er, ob Karen möglicherweise nicht Recht hatte in Bezug auf seine Eltern. Zumindest teilweise. Sie waren stolze, oft sogar arrogante Menschen gewesen. Er konnte förmlich sehen, wie sie ihrer unliebsamen Vergangenheit rücksichtslos den Rücken zugekehrt hatten.
Ihm kam auch der Gedanke, dass Clem Shaner, sollte er wirklich im Streit mit seinem Bruder gelegen haben, sicher niemals beabsichtigt hatte, seinen gesamten Besitz ihm, seinem Neffen, zu vererben. Wahrscheinlich hätte er es vorgezogen, alles Karen zu hinterlassen, mit der er offensichtlich viel gemeinsam gehabt hatte. Zu schade, dass der alte Mann kein Testament gemacht hatte.
Wenn er selbst eine Möglichkeit gesehen hätte, die ganze Ranch einfach auf Karen zu überschreiben, würde er es sofort getan haben. Doch der Betrieb stand kurz vor dem Bankrott. Es würde Karens Situation nicht um einen Deut bessern, wenn sie Eigentümerin des Ganzen war.
Die ersten dicken Regentropfen fielen, als Karen nun den Gabelstapler ausschaltete. "Wir sollten jetzt lieber zum Laster zurücklaufen", sagte sie. "Es sei denn, Sie wollen hier in der Scheune festsitzen, während der Sturm durchbläst."
"Nein, danke." Er zog sich sein Hemd über den Kopf, eilte zum Lastwagen und öffnete ihr die Fahrertür. Kaum dass sie dann hineingeklettert waren und die Türen geschlossen hatten, öffnete der Himmel seine Schleusen.
Es hatte etwas Intimes an sich, so dicht neben einer Frau in einer engen Fahrerkabine zu sitzen, während Regen aufs Dach trommelte und Donner in der Ferne grollte. Er nahm den schwachen, blumigen Duft wahr, der aus Karens feuchtem
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