Baccara Exklusiv Band 04
diese Aussicht so vertraut wie der Anblick ihres eigenen Gesichts im Spiegel. Deshalb richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf Mike.
Er hatte sein Jackett und die Krawatte abgelegt und die Hemdsärmel bis zu den Ellenbogen hochgerollt. Seine Unterarme waren muskulös, und seine Haut war von einem warmen Goldton und nicht blass, obwohl er wohl kaum viel Zeit im Freien verbrachte. Sein Hemd stand am Kragen offen und zeigte ein verführerisches Büschel hellblonder Brusthaare.
Im Augenblick war es jedoch sein Gesichtsausdruck, der sie am meisten interessierte. Obwohl er offensichtlich bemüht war, eine beiläufige Miene aufzusetzen, verriet ihn das Funkeln in seinen grünen Augen. Er war hingerissen von der Aussicht.
"Falls Sie mich davon überzeugen wollten, wie malerisch diese Gegend ist, war Ihre Mühe nicht nötig. Darauf bin ich nämlich schon selbst gekommen", sagte er nach einer Weile.
"Ich wollte diesen Gedanken nur in Ihrer Erinnerung wach halten", gab sie ruhig zurück. "Wissen Sie denn auch, dass wir hier auf Grund und Boden stehen, der jetzt SunnyLand gehört? Nicht lange, und wir werden eine Gebühr zahlen müssen, um diese Aussicht genießen zu dürfen – falls sie dann überhaupt noch exisitert."
"Die Leute dort verstehen es sehr gut, ihre Konstruktionen der Landschaft anzupassen", meinte Mike, doch es klang schon wesentlich weniger enthusiastisch als zu Anfang. "Sie fällen nur so viele Bäume, wie es unbedingt nötig ist. Phyllis hat mir Fotos von einigen anderen Vergnügungsparks gezeigt."
"Ich wette, von den Parkplätzen hat sie Ihnen keine Fotos gezeigt. Aber genau das ist es, was sie aus der Red Canyon machen werden. Einen verdammten Parkplatz!"
Mike gab keinen Kommentar dazu.
Nachdem sie dann wieder auf der Straße waren, fuhr Karen langsam durch eine kleine Siedlung, damit Mike nicht umhin kam, die deutlichen Zeichen der Armut zu sehen – die mit Teerpappe gedeckten Hütten, verwahrloste Blockhäuser, Holzhäuser, die schief auf ihren Fundamenten standen, rostige Wohnmobile und hin und wieder ein klappriges Auto oder ein Laster, neben denen ihr vorsintflutliches Modell wie eine Luxuskarosse wirkte.
Mike nahm alles mit wachen Augen in sich auf, sagte aber nichts.
Sie legten auch den Rest des Weges bis zur Ranch schweigend zurück, und allmählich wurde ihm klar, dass die simple geschäftliche Entscheidung, die zu treffen er beabsichtigt hatte, gar nicht so simpel war.
Er hatte es hier mit einer Kultur zu tun, die nicht darauf aus war, schnelles Geld zu machen. Hier herrschten andere Prioritäten, Lebensqualität wurde nach anderen Wertmaßstäben gemessen, und er fühlte sich ganz und gar nicht darauf vorbereitet, zu entscheiden, was für die Gemeinde gut war und was nicht.
Nachdem sie die Ranch wieder erreicht hatten, bedeutete Karen ihm, ihr zu folgen. "Es gibt noch einen anderen Teil des Red Canyon, den Sie sehen müssen", sagte sie, während sie um das Haus herum zur Rückseite gingen.
Das Geräusch sprudelnden Wassers, das man auch innen im Haus hörte, wurde lauter, und dann sah er die Quelle. Unter dem steilen Abhang floss ein Bach entlang mit silbrig funkelndem, kristallklarem Wasser.
"Das ist der Red Canyon Creek", erklärte Karen. Sie wischte den Staub von einem flachen Felsen und setzte sich. "Daher hat die Ranch auch ihren Namen, obwohl wir uns mehr in einer Art Tal befinden als in einem Canyon. Clem hat diesen Bach oft sein eigenes kleines Stück Himmel genannt."
"Ich kann verstehen, warum." Die Stelle hier ist nicht nur schön, sie strahlt auch Frieden aus, dachte er und setzte sich etwas weiter weg auf einen anderen Felsblock.
Bald jedoch ertappte er sich dabei, wie er seinen Blick von dem Bach zu Karen hinüberwandern ließ, um ihre Schönheit und Besonderheit in sich aufzunehmen. Als er sie so ruhig dasitzen und in das kristallene Wasser hinunterschauen sah, hätte er sie unendlich gern berührt, um etwas von ihrer inneren Ruhe für sich selbst zu gewinnen.
Wirkliche Gelassenheit hatte er nie erfahren. Sicher, er hatte schon Befriedigung gefühlt, eine Zufriedenheit, die von seinem Erfolg und der Wertschätzung seiner Professoren herrührte. Aber niemals hatte er diesen inneren Frieden erlebt, der eine Frau wie einen Engel aussehen lassen konnte.
Karen liebte dieses Land, und wenn es irgendeine Möglichkeit gäbe, all das hier zu erhalten – eine vernünftige Möglichkeit –, hätte er sie sofort in die Tat umgesetzt. Er hasste es, Karens Leben dermaßen
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