BACCARA EXKLUSIV, BAND 64
hoffentlich war das Konto ihrer Kreditkarte noch nicht zu weit überzogen – und gönnte sich einen Müsliriegel und eine Diätcola. Dann studierte sie die Landkarte. Es musste doch etwas geben, das sich zu besichtigen lohnte, bevor sie zurück zum Flughafen fuhr.
Sie musste sich vom Tankwart erklären lassen, wo sie sich eigentlich befand: irgendwo in der Nähe von Frying Pan Landing und Gum Neck, sozusagen mitten in dem Gebiet, das auf der Landkarte als „Eastern Dismal Swamp“ bezeichnet wurde, ein großes Sumpfgebiet. Gab es etwas, das ihrer schwermütigen Stimmung besser entsprach als ein Sumpf? Als ob sie danach gesucht hätte.
„Gibt es vielleicht ein Hotel in der Nähe?“, fragte sie hoffnungsvoll. Es wurde langsam Abend. Und sie war den ganzen Tag herumgefahren und hatte versucht, eine Entscheidung zu treffen.
Das Motel beherbergte hauptsächlich Touristen, die zum Fischen und Jagen hier waren. Das Bett war recht hart, aber sauber und das Zimmer billig. Clemmie, die Frau an der Rezeption, hatte gesagt, das Café im Nachbarhaus sei ab fünf Uhr morgens geöffnet und schließe nach Einbruch der Dunkelheit.
Jasmine schaffte es, noch lange genug wach zu bleiben, um sich ein Abendessen zu bestellen und auch zu essen, bevor sie todmüde ins Bett fiel, zu müde, um noch über irgendetwas nachzudenken.
Als sie die Augen wieder öffnete, warf eine blasse Sonne ihre Strahlen durch das kleine Fenster. Jasmine streckte sich wohlig aus, kratzte sich auf der linken Wange, gähnte herzhaft und kratzte sich erneut.
Erst duschen. Dann frühstücken. Und vielleicht noch einen Tag hier verbringen, bevor sie endgültig nach Hause zurückkehrte. Es wäre doch schade, wenn sie nach Hause flöge, ohne etwas anderes gesehen zu haben als ein Altersheim, eine Tankstelle und ein billiges Motel. Finanziell hatte sie sich bei dieser Reise sowieso schon übernommen. Da konnte sie genauso gut noch einen zweiten Tag bleiben und ein bisschen die Gegend erkunden und die Sumpf-Atmosphäre genießen.
Sie war noch nie weiter östlich als bis nach Tulsa gekommen, und hier in North Carolina schien alles so anders zu sein. Viel ruhiger. Geradezu unnatürlich ruhig. Aber das lag vielleicht daran, dass die nächste Großstadt viele Meilen entfernt war. Oder daran, dass es Winter war. Hier, wo es richtige Jahreszeiten gab, machte das sicher etwas aus.
Nachdem sie ausgiebig warm geduscht hatte, fühlte sie sich schon etwas besser. Vielleicht sollte ich versuchen, eine Story zu schreiben, überlegte sie und kratzte sich gedankenverloren im Gesicht. Denn eigentlich schrieb sie sehr gern. Sie hatte sogar mal an einem Kursus für werdende Schriftsteller teilgenommen. Nur hatte sie schon jahrelang nichts mehr geschrieben.
Die Abenteuer der Jasmine Clancy? Ein gebrochenes Herz und tausend Meilen Fahrt? Auf der Suche nach ihren Wurzeln?
Das grimmige Knurren ihres Magens unterbrach sie in ihren Gedanken.
Sie war hungrig. Ein gutes Zeichen. Trotz gebrochenem Herzen und schweren Enttäuschungen litt sie nicht an Appetitmangel. Eigentlich fühlte sie sich überhaupt erstaunlich gut.
Allerdings nur, bis sie in den Spiegel sah.
„O nein! Was ist passiert?“ Entsetzt betastete sie ihr rotes, geschwollenes Gesicht. Sofort verstärkte sich der Juckreiz.
An der Rezeption war zum Glück keine Menschenseele außer Clemmie, der Frau des Motelbesitzers und Mädchen für alles. Clemmie begutachtete fachmännisch Jasmines Gesicht und schickte sie gleich auf ihr Zimmer zurück.
Eine Viertelstunde später brachte sie ihr ein Tablett mit Rührei, Würstchen, Bratkartoffeln und als Nachtisch eine Hautlotion gegen Juckreiz und ein paar Prospekte für Touristen.
„Ich dachte mir, da Sie ja nicht von hier sind, haben Sie vielleicht Verwendung für diese Prospekte. Sie brauchen Ablenkung, damit Sie sich nicht so viel kratzen.“
„Ich kann es einfach nicht glauben“, jammerte Jasmine. „Seit meiner Kindheit hatte ich diese Allergie nicht mehr.“
„Ich hatte es früher jeden Sommer, ganz schlimm. Musste sogar Fausthandschuhe tragen, damit ich mich nicht dauernd kratzte.“
„Aber es ist doch Februar!“
„Diese verflixten Pollen fliegen das ganze Jahr über herum, nur im Winter etwas weniger. Und lassen Sie bloß das Kratzen sein.“
Er war jetzt schon seit einer Woche hier. Am Anfang war er fast verrückt geworden ohne sein Handy, seinen Laptop und all die anderen technischen Errungenschaften, an die er gewöhnt war.
Daniel Lyon Lawless,
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