BACCARA EXKLUSIV, BAND 64
ein Baby.
Dennoch hatte sie vor Enttäuschung geweint.
Sie wartete drei Tage, bevor sie Lyons Nummer anrief. Als sich der Anrufbeantworter meldete, sagte sie nur: „Hier ist Jasmine, du kannst beruhigt sein“, und legte auf.
Es war an einem Sonntagmorgen im April. Mit einem Gefühl tiefer Befriedigung spannte Jasmine einen weiteren Bogen frischen Papiers in ihre geliehene Reiseschreibmaschine ein und begann mit dem Schreiben der endgültigen Version ihrer Story. Um drei Uhr nachmittags nahm sie sich erstmals Zeit, ihre schmerzenden Finger zu massieren und zu lesen, was sie geschrieben hatte.
Es war gut. Vielleicht nichts absolut Bahnbrechendes, aber es war eine wirklich gute Story. Kaum hatte sie eine Seite gelesen, war ihr, als erlebe sie das alles noch einmal. Sie sah den dunklen, träge dahinfließenden Fluss vor sich, die Schatten der Bäume. Sie roch die feuchte Erde, das verkohlte Holz in der Feuerstelle, und sie sah …
Lyon. Oh, verflixt! Das Problem war, dass er beim besten Willen aus der Geschichte nicht wegzudenken war.
Im Grunde war er der Mittelpunkt.
Sie hatte wirklich geglaubt, er würde anrufen und es sie zumindest wissen lassen, dass er noch lebte. Er hatte doch gemerkt, dass sie am Flughafen panisch vor Sorge um ihn gewesen war. Wie sollte sie den verflixten Kerl denn vergessen, wenn sie nicht einmal wusste, ob er noch am Leben war?
Aber eigentlich wusste sie das schon. Wäre er ums Leben gekommen oder schwer verletzt worden, hätte sie es irgendwie spüren müssen. Schließlich floss in ihren Adern auch irisches Blut, und jeder wusste doch, dass die Iren mehr als die üblichen fünf Sinne hatten.
Sicherheitshalber hatte sie trotzdem in der Bibliothek sämtliche Tageszeitungen nach etwaigen Hinweisen durchforstet. Sie hatte mehrere Artikel über einen anderen Lawless gefunden, der vielleicht mit Lyon verwandt war oder vielleicht auch nicht.
Möglicherweise war er das hohe Tier aus New York, das Catfish erwähnt hatte. Wie auch immer, mit H. L. Lawless war sicherlich nicht Lyon gemeint.
Dank intensiver Nutzung von Wörterbuch und Tipp-Ex war sie mit ihrer Arbeit beinahe fertig, als es an der Tür klingelte.
„Oh, nein, Cyn! Bitte nicht jetzt“, murmelte sie. Cyn hatte schon mehrmals angerufen, um ihr von ihren Flitterwochen zu erzählen, die offenbar von kurzer Dauer gewesen waren.
Ihre Freundschaft hatte gelitten, aber schließlich war sie zu dem Schluss gekommen, dass Eric es nicht wert war, eine Freundschaft aufzugeben. Sie kannte Cyn, seit sie in L. A. lebte, und sie hatten eine Menge gemeinsam durchgemacht. Zwar waren sie so verschieden wie Tag und Nacht, aber das war eigentlich nicht so wichtig, solange sie einige wichtige Erfahrungen teilten. Und einige Enttäuschungen.
Zum Beispiel Eric.
Die letzten Tage hätte sie den Hörer fast neben das Telefon gelegt, aber da war noch die winzige Chance von eins zu einer Million, dass es Lyon sein könnte, der anrief.
Mit einem tiefen Seufzer beschloss sie, dass sie ebenso gut eine Pause machen, sich ein Sandwich schmieren und dabei Cyns letzten Neuigkeiten lauschen könnte.
„Hi, hast du schon zu Mittag gegessen?“, fragte sie, während sie die Tür öffnete. „Ich mache mir gerade ein Erdnussbuttersandwich. Wenn du willst …“
Lyon!
Sie klappte den Mund auf und wieder zu. Sie schloss die Augen und öffnete sie wieder. Und sie versuchte verzweifelt, etwas halbwegs Intelligentes, der Situation Angemessenes zu sagen.
„Willst du mich nicht bitten, hereinzukommen?“
„Ich … Oh … Möchtest du nicht hereinkommen?“ Sie trat zur Seite und betrachtete erstaunt den gut gekleideten, frisch rasierten Mann, der durch ihre Tür trat.
Er war beim Friseur gewesen. Er trug korrekt gebügelte Hosen, ein dunkles T-Shirt und ein Tweedjackett. Und er hob unter ihrem Blick beide Arme, als wolle er sich ergeben.
„Ich bin nicht bewaffnet.“
„Ich wollte nicht … Ich meine … Lyon, was führt dich her?“
„Wir hatten noch etwas zu erledigen, erinnerst du dich? Ich fand, es wurde Zeit, dass wir uns darum kümmern.“
Oh, in drei Teufels Namen! Gerade hatte sie begonnen, ihn zu vergessen, oder ihm in ihrer Erinnerung den gleichen Platz zuzuweisen, wie ihren Kindheitsträumen und Happy-End-Geschichten. „Wenn ich gewusst hätte, dass du in der Stadt bist, hätte ich …“
„Du hättest was getan? Vor mir weglaufen? Dich verleugnen lassen? Nicht ans Telefon gehen?“
„Sei nicht …“ Sie verschränkte die Arme vor der
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