Baccara Exklusiv Band 98 - Ebook
durchzumachen hatte, war der pure Horror. Unruhig ging er im Vorraum der Praxis auf und ab. Seine Schuhe quietschten auf dem Linoleum, und der Geruch von Desinfektionsmittel, der hier überall gegenwärtig war, kam ihm unerträglich vor. Immer wieder blickte er zu der Tür hin, hinter der Lilly jetzt lag.
Tausend Gedanken schossen ihm durch den Kopf. Er wollte das Baby nicht verlieren. Er wusste nicht, was er täte, wenn das passierte. Aber noch weniger wollte er Lilly verlieren. Ein Leben ohne sie wäre so finster wie eine mondlose Nacht allein in den Bergen.
Ja, so war es: Lilly hatte sich heimlich in sein Herz gestohlen, gegen seinen Willen, seiner ganzen Wachsamkeit zum Trotz. Sicher hatte alles für ihn damit begonnen, dass er des Kindes wegen Lilly gefragt hat, ihn zu heiraten. An Lilly hatte er damals keinen Moment gedacht. Dann aber, als er mit ihr zusammen war, ihren unbändigen Willen zur Unabhängigkeit kennenlernte, der seinem ähnlich war, ihr unschuldiges Lächeln, ihre Sinnlichkeit und ihre Zärtlichkeit, war die Mauer, die er um sein Herz errichtet hatte, eingestürzt, bevor er wusste, wie ihm geschah.
Er war vor der Wand stehen geblieben und hatte die Fäuste dagegen gepresst. Er kümmerte sich nicht darum, dass die Schwester und die Sprechstundenhilfe am Empfang Blicke tauschten, während sie ihn beobachteten. Was hatte er sich in der letzten Zeit nur vorgemacht? Es lag auf der Hand, dass er weit mehr für Lilly empfand, als Zuneigung und Sympathie. Er verehrte sie, er mochte die Art, wie sie über ihr Baby sprach, und die Ernsthaftigkeit, mit der sie sich Gedanken darum machte. Er liebte ihre kleinen Eigenheiten, auch wenn er sich über manche im Stillen amüsierte und andere ihm sogar auf die Nerven gingen.
„Verdammt, ich liebe sie“, sagte er und merkte nicht einmal, dass er laut mit sich selbst gesprochen hatte.
„Ja, natürlich tun Sie das, Mr Andrews“, meinte die junge Frau am Empfang. „Es wird schon alles gut werden.“
Nick registrierte kaum, dass sie ihn angesprochen hatte.
Wie hatte er es nur fertigbringen können, fuhr er in seiner inneren Selbstanklage fort, sie mit Marcy zu vergleichen? In Lilly war nicht ein Fünkchen der Unaufrichtigkeit. Sie war geradeaus, offen, manchmal sogar ein bisschen naiv.
Sie hatte nicht heiraten wollen. Aber sie war es gewesen, die aus ihrer Ehe etwas gemacht hat. Ihr hatte er, ohne zu zögern, alle seine Geheimnisse anvertraut. Ihr hatte er seinen Glückspenny geschenkt, der ihn fast durch sein ganzes Leben begleitet hatte. Von ihr kam die liebevolle Idee mit dem kleinen Weihnachtsmann als Geschenk. All das fiel ihm wieder ein, während er voller Bangen und Ungeduld auf das Ergebnis ihrer Untersuchung wartete.
Mit einem Seufzer ließ Nick sich in einer der hässlichen, ungemütlichen Sitzschalen nieder und stützte den Kopf in die Hände. Er dachte weiter nach. Auch wenn seine Fürsorge nicht als Kontrolle gedacht war, musste er Rücksicht darauf nehmen, dass Lilly sie so verstand. Daran und an manch anderem noch musste er arbeiten und etwas ändern, wenn er Lilly behalten wollte. Und dass er sie behalten wollte, dass sie für ihn der wichtigste Mensch auf der Welt geworden war, hatte er nun endlich kapiert.
„Sie können hereinkommen, junger Mann“, hörte er hinter sich die freundliche Stimme von Dr. Johnson.
Nick sprang auf und eilte beinahe im Laufschritt zum Behandlungszimmer. Noch auf dem Weg dorthin schwor er sich, Lilly all das zu sagen, was ihm in der letzten halben Stunde durch den Kopf gegangen war. Hauptsache, dass mit ihr alles in Ordnung war.
Er stürmte durch die Tür. Lilly saß schon fertig angezogen auf dem Rand der Liege.
Nick stellte sich vor sie und ergriff ihre Hände. „Ich liebe dich“, platzte er heraus. „Sag, dass alles bei dir okay ist.“
Sie sah ihn mit großen Augen an und war sichtlich überrumpelt. Mehr als ein Stottern brachte sie nicht heraus. „Nick, ich … du …“
„Mutter und Kind sind beide okay“, half ihr der Doktor aus der Patsche. „Ihnen fehlt nichts. Ich glaube, ich lasse Sie jetzt einen Augenblick allein.“
Als der Arzt die Tür hinter sich schloss, erschien auf Nicks Gesicht ein Strahlen. Seine vorherigen Sorgen und seine Verzweiflung machten einer ungeheuren Erleichterung Platz.
In Lillys Augen schimmerten Tränen. „Ich möchte mich bei dir entschuldigen, Nick, dass ich dir solche Sorgen bereitet habe. Ich war so unvernünftig. Es tut mir leid.“
Mit einem zarten Kuss
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