Baccara Exklusiv Band 99
schimmernden Farben, die Wolkenbildung und über den Wind.“
Sie hielt inne. Kyle forderte sie auf, weiterzusprechen, und sie fuhr fort: „Vielleicht hört es sich albern an, aber diese Landschaft gibt mir Frieden für meine Seele, füllt mein Herz immer wieder mit Staunen und Glück, bringt mir Neugier und Hoffen auf den nächsten Tag.“
Sie schwieg eine Weile. Auch Kyle sagte nichts.
Verlegen sah Meghan ihn an. „Siehst du, ich habe doch gesagt, das Ganze hört sich verrückt an.“
„Nein, ganz bestimmt nicht.“ Kyle war bewegt und schüttelte den Kopf. Er meinte das ganz aufrichtig. Er begann, die Landschaft genauer zu betrachten.
Im Schnee waren Spuren von wilden Tieren. Vögel zwitscherten in den Bäumen. Noch nie in seinem ganzen Leben hatte er jemanden erlebt, der die Landschaft so sehr liebte, in der er wohnte, und mit ihr so verbunden war, wie Meghan.
Nein, Meghan würde sich nie und nimmer in Chicago wohlfühlen. Wenn sie nicht unglücklich werden sollte, durfte er sie nicht darum bitten. Kyle seufzte tief.
Schweigend liefen sie nebeneinander her, bis sie den dichten Tannenwald erreichten.
Der Schnee war hier nicht so tief wie auf dem freien Feld, aber der Boden war weiß bedeckt und wie mit Puderzucker bestreut. Das Sonnenlicht schien nur gedämpft durch die dicht stehenden Bäume.
Meghan sah sich prüfend um. „Was hältst du von dem Baum?“
Kyle schirmte seine Augen gegen das Licht ab und schaute sich die Ponderosa – Tanne genau an. Er schüttelte den Kopf und sagte fachmännisch: „Viel zu wenig Zweige.“
„Und der da?“
„Der ist viel zu breit, den kriegen wir nie und nimmer durch die Tür.“
Als ein Adler über den wolkenlosen Himmel schwebte und sich in einer Baumkrone über ihnen niederließ, fiel der Schnee von den Zweigen auf sie herab, und sie waren weiß bestäubt.
Zum zweiten Mal an diesem Tag fing Meghan hell an zu lachen. Sie schüttelte den Kopf, und die Schneeflocken fielen aus ihrem Haar.
Kyle wusste in diesem Moment, dass es keinen Platz auf der Welt gab, wo er lieber sein würde als hier mit ihr.
„Also gut, du Weihnachtsmann“, sagte sie belustigt und legte die Hände auf die Hüften. „Da dir alle meine Bäume nicht gefallen …“
„Meghan, der erste war doch wirklich erbärmlich.“
Sie lachte auf, und er nahm sich vor, diesen Anblick für immer in seinem Gedächtnis zu behalten.
„Die Hälfte der Zweige fehlten“, betonte er.
„Ach, die kahle Seite hätten wir doch zur Wand drehen können.“
„Na, hör mal, der ganze Baum hatte kaum Zweige.“ Er nahm die Axt von der Schulter. Der Schnee lag noch auf seinen Haaren. Es schien so typisch für Meghan, einen Baum auszuwählen, der unscheinbar war, und ihm dennoch einen Platz zu geben. So wie sie auch Schneeflocke und das Pferd bei sich aufgenommen und ihnen einen Platz gegeben hatte.
„Was ist mit dem da?“ Jetzt forderte sie ihn offensichtlich heraus.
Kyle besah sich den Baum ganz genau, den sie sich wünschte. Es war die größte Tanne weit und breit, mit einem ziemlich dicken Stamm. Aber er hatte ihr ein Versprechen gegeben. Und er wusste, er war bereit, alles für Meghan zu tun, was in seiner Macht stand, wenn er sie nur ein bisschen glücklich machen konnte.
„Ihr Wunsch ist mir Befehl, Lady.“ Er nahm die Axt in beide Hände und rief: „Tritt zurück!“
Sie befeuchtete die Lippen, offenbar war ihr die Angelegenheit nicht geheuer. „Hast du schon jemals einen Baum geschlagen?“
„Noch nie, aber das kann doch wohl nicht so schwer sein?“
Sie sah ihn nachdenklich und etwas skeptisch an. Kyle lächelte und strich ihr zärtlich übers Gesicht. „Ich habe doch nur Spaß gemacht, mit Holz zu arbeiten ist mein Hobby.“
„Kannst du schreinern?“
Warum hatte er das nur verraten? „Ja, es ist eine große Liebe von mir. Und bis jetzt meine einzige Liebe.“
Meghan legte ihre Hand auf seine. Sie sah ihn aufmerksam an, so als wolle sie bis auf den Grund seiner Seele schauen, um die Wahrheit zu erfahren. Es tat Kyle gut, ihre Anteilnahme zu spüren.
„Ist das Schreinern nur ein Hobby, oder ist es mehr?“, forschte Meghan nach.
„Es ist nur ein Hobby.“
„Wäre es denn dein Wunsch, dass es mehr wäre?“
„Jeder hat doch so seine Träume.“ Verlegen zog er die Schultern hoch. Wenn er auch vorgab, ganz ruhig zu sein, so gerieten doch seine Gefühle bei diesem Thema allmählich in Aufruhr.
„Ist das der Grund, warum du aus Chicago geflohen bist und nicht mehr
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