Back to Black - Amy Winehouse und ihr viel zu kurzes Leben
Welt also auch schon vor Amy Winehouse.
Die Liste der talentierten jungen Frauen und Männer, die während ihres Lebens auf der Überholspur so lange an möglichen Ausfahrten vorbeirasten, bis sie die Bodenhaftung endgültig verloren, ist lang – und (auch) an dieser Stelle nur unvollständig: Rudy Lewis von den »Drifters« starb am 20. Mai 1964, wahrscheinlich an einer Überdosis. Brian Jones, Gitarrist und Gründungsmitglied der »Rolling Stones«, ertrank am 3. Juli 1969 während oder nach einer »Party« in einem Swimmingpool. Alan Wilson, Gitarrist bei »Canned Heat«, überlebte am 3. September 1970 eine Überdosis nicht. Jimi Hendrix erstickte 15 Tage später durch einen Mix aus Schlaftabletten und Alkohol. Janis Joplin folgte ihm am 4. Oktober desselben Jahres
nach einer Überdosis Heroin in Verbindung mit Alkohol. Jim Morrison von den »Doors« starb am 3. Juli 1971 an »Herzversagen«, wobei die genauen Todesumstände nicht aufgeklärt werden konnten. Ron McKernan von »Grateful Dead«, Dave Alexander von den »Stooges«, Gary Thain von »Uriah Heep« und Kristen Pfaff von »Hole« waren ebenfalls diesen tragischen Weg gegangen, so wie auch Kurt Cobain, Frontmann von »Nirvana«, der sein Leben am 5. April 1994 jedoch mit einer Schrotflinte beendete.
Was all diese Künstler eint ist das Lebensalter in dem sie starben. Denn sie alle wurden nur 27 Jahre alt und bilden somit den obskuren »Club 27«, eine Art Hall of Fame derjenigen, die an sich selbst scheiterten – häufig vorhersehbar, nicht selten high, stets jedoch tragisch und immer viel zu früh.
Die Zahl »27« genießt daher den zweifelhaften Ruf, die magische »schwarze« Zahl der Popmusik zu sein, und es gibt viele Leute, die auf alle möglichen Arten und Weisen (medizinisch-psychologisch begründet, spirituellesoterisch oder auch wissenschaftlich-astrologisch) dieses vermeintliche Phänomen enträtseln wollen. Gibt es tatsächlich so etwas wie eine höhere Schicksalsmathematik? Kann man ein immer wiederkehrendes Todesalter errechnen, indem man etwa den größten gemeinsamen Nenner der Elemente »Karrierestart«, »Drogenkonsum«, »Plattenverkäufe«, »Charts-Platzierungen«, »Live-Konzerte« und »Fans« findet und durch die Intensität der psychologischen Probleme der KünstleriInnen teilt?
Kein aussichtsreiches Unterfangen, denn der fantastische Bluessänger Robert Johnson starb am 16. August 1938 mit 27 Jahren an den Spätfolgen einer Syphilis-Erkrankung,
die deutsche Sängerin Alexandra, ebenfalls 27, am 31. Juli 1969 bei einem Verkehrsunfall und Mia Zapata, Leadsängerin der »Gits«, wurde mit 27 Jahren Opfer eines Gewaltverbrechens. Solche Schicksale lassen eine allgemein gültige (wie insgesamt fragwürdige) Formel für die Mitgliedschaft im »Club« in weite Ferne rücken.
Doch je spektakulärer und tragischer die Umstände des Ablebens eines 27 Jahre alten musikalischen Talents sind, desto größer sind leider auch die Chancen auf Glorifizierung und Legendenbildung – und nicht zuletzt auch auf ein profitables Geschäft durch einen zumeist sprunghaften Anstieg der Plattenverkäufe. »Die Young, Stay Pretty« ist eines der vielen (nicht selten zynischen) ungeschriebenen Gesetze einer knallharten Branche.
»Amy hat mir gegenüber öfter erwähnt, dass sie glaubte, sie würde jung sterben und Mitglied des Clubs 27 werden«, sagte Alex Foden, der sich während der Dreharbeiten zu ihrem »Back to Black«-Musikvideo um den fragilen Star kümmerte, der am Set von einer Serie von Panikattacken geschüttelt wurde. »Ich denke auch, dass sie als Legende sterben musste «, erzählte er der Reporterin Clemmie Moodie vom »Daily Mirror« bereits zwei Tage nach Amys Tod. »Und obwohl jeder in ihrem Umfeld wusste, dass es irgendwann passieren würde, war es doch ein Schock.«
Das Drehbuch des im Jahre 2006 entstandenen düsteren Videoclips sah die Inszenierung von Amys eigener Beerdigung vor. Dramatischer Höhepunkt war die Szene, in der Amy vor ihrem offenen Grab (samt Grabstein mit der Inschrift »Hier ruht das Herz von Amy Winehouse«) stand und Erde auf ihren eigenen Sarg werfen sollte.
»Das war auf eine tragische Weise prophetisch. Wirklich erschütternd dabei ist aber, dass Amy dies alles bereits geahnt hat. Sie brach zusammen, als sie das Grab mit dem Grabstein sah«, erinnerte sich Foden. »Sie war so aufgewühlt, dass ich ihr einige Hot Toddies einflößen musste, damit wir mit den Dreharbeiten weitermachen konnten.«
Doch
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