Back to Black - Amy Winehouse und ihr viel zu kurzes Leben
nahestehenden Person verlassen zu werden. Diese Angst motiviert die Betroffenen nicht selten zu verzweifelten Bemühungen, dieses Verlassenwerden zu vermeiden.
Amy selbst hatte mehrmals davon gesprochen, dass sie sich im Alter von neun Jahren »geritzt« hatte, also exakt in der Zeit, als ihre Eltern sich trennten und ihr Vater Mitch zu seiner neuen Frau zog.
Gerade mit solchen Selbstverletzungen können Borderliner ihre Umwelt massiv unter Druck setzen. Werden sie trotz all ihrer verzweifelten Bemühungen dennoch verlassen (da ihre Mitmenschen nicht selten irgendwann
vor den emotionalen Wechselbädern kapitulieren), durchleben Borderliner meist intensive emotionale Krisen, in deren Verlauf die Symptome ihrer Erkrankung häufig sogar noch verstärkt auftreten. Oder – wie vielleicht in Amys Fall – zu einem Jahrhundertwerk der Popmusik beitragen können.
Im Winter 2006 war Amy jedenfalls ein millionenschwerer, umjubelter Weltstar und hatte sogar ihren geliebten Blake zurück. Die Summe, die Amy für ihren gemeinsamen Drogenkonsum ausgab, hatte sich, wie ihr damaliger Mitbewohner Alex Folden berichtete, auf 1000 Pfund pro Tag eingependelt. Das hatten sie ja schon mal geschafft, in ihrer ersten kurzen Beziehung, Anfang 2005, bevor Blake sein Selbstschutzprogramm hochgefahren hatte und zu seiner Exfreundin zurückgekehrt war. Er hatte sich aus dem Staub gemacht, obwohl er Amy damals geliebt hatte – nicht ihres Geldes, ihrer Fürsorge oder ihres sexuellen Appetits wegen, sondern in erster Linie als Mensch. Sich selbst aber hatte Blake eben noch ein bisschen mehr geliebt.
Damals 2005 hatte es ihm niemand gesagt, da war wohl ein Gefühl in ihm hochgekrochen, vielleicht auch so etwas wie ein Bedürfnis, das Richtige zu tun und Amy zu verlassen. Und auch jetzt, ein knappes Jahr später, hatte die Sucht weder seine Empathie, noch seinen instinktiven Überlebenswillen in Mitleidenschaft gezogen.
Empathie, diese Fähigkeit, einerseits die Gefühle und Absichten eines anderen Menschen zu erkennen und zu deuten, andererseits aber auch angemessen darauf reagieren zu können, war in Blakes und Amys Beziehung enorm
wichtig. Vor allem für Amy: Denn wenn sie bei Blake nicht auf ein hohes Maß Verständnis, ja, Liebe, gestoßen wäre, hätte er sie wahrscheinlich bei weitem nicht so stark interessiert. Doch Blake erfüllte alle Kriterien eines Mannes, mit dem sie ihr Unglück glücklich ausleben konnte. Wahrscheinlich war er wirklich der Einzige, der dazu in der Lage war.
Er war allerdings wohl nicht der Einzige, der sich damals langsam erneut fragte, ob diese für beide gefährliche Beziehung diesmal von Dauer sein würde.
Doch jetzt war er erst einmal der Mann an Amys Seite und als dieser ebenfalls berühmt geworden. Er konnte sich jetzt häufig und regelmäßig in allen Medien bewundern lassen, und wenn Amy einen Auftritt hatte, stand er auf Augenhöhe mit ihrem Manager Raye Cosbert, der ihn wohl oder übel überallhin mitschleifen musste.
Es war für Cosbert ohnehin nicht einfach, Amy auf die Bühne zu bringen, die ja so gut wie vor jedem Auftritt eine Heidenangst hatte, für die der Begriff »Lampenfieber« nicht ausreicht. Gar nichts war einfach mit Amy, und spätestens nach dem ganzen Rummel, der wegen ihres zweiten Albums auf ihn eingeprasselt war, dürfte es Cosbert gedämmert haben, was genau seine Vorgänger Godwyn und Shymansky mit der »gewissen Erleichterung« meinten, als Amy ihnen die Zusammenarbeit aufgekündigt hatte.
Und jetzt hatte er zusätzlich auch noch Blake, um den er sich kümmern musste; der während ihrer Shows seinen Platz hinter der Bühne (den sie ihm zugewiesen hatte) nicht verlassen durfte. Blake musste immer für sie verfügbar und greifbar sein. Manchmal tänzelte Amy während
eines Konzerts gleich mehrmals wie ein kleines Mädchen über die Bühne zu ihm hin (manchmal schwankte sie dabei bedrohlich, je nach Tagesform) und holte sich ein Küsschen von ihm ab, deutlich sichtbar fürs Publikum, dem sie dann bereitwillig erklärte, wie sehr sie sich liebten und dass sie ohne einander einfach »nicht könnten«.
Fürs Konzertpublikum waren diese Kuss-und-Knutsch-Intermezzi jedes Mal eine Riesenfreude: So verrückt und schrill und gleichzeitig so intensiv und zärtlich kann Liebe sein!
Doch Cosbert war weder blind noch taub. Genauso wenig waren dies die vielen Leute, die in Amys direktem Umfeld arbeiteten; vom Roadie über die Begleitmusiker und Backgroundsänger bis hin zu Darcus
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