Back to Black - Amy Winehouse und ihr viel zu kurzes Leben
plötzlich »nur« wieder Camden. Sie kehrte zurück in die ihr vertrauten Straßen. Da waren die Pubs mit ihren
gewöhnungsbedürftigen Gerüchen, einer Mischung aus säuerlichen Bierresten und kaltem Zigarettenrauch, da waren die asiatischen Take-away-Restaurants, die Kioske, und da waren natürlich auch all die vertrauten Gesichter, in denen das Staunen über ihren neuen, wilden Look unübersehbar war: das Staunen über ihren Beehive , für den sie morgens alleine 40 Minuten benötigte, um das künstliche Haarteil mit ihrem schwarzen Echthaar zu dem gewaltigen Turm aufzubauen. Das Staunen über ihr »Madonna-Piercing«, das rechts über ihrer Oberlippe saß (ausgerechnet Madonna, die »Oma«!), und über zwei oder drei neue Tattoos, dazu ihre punkartigen Kleider, extrem kurz, fetzig und sündhaft teure Designerpumps. Sie sah einfach geil aus, sie wollte auffallen und keine unnötigen Fragen aufkommen lassen: Amy was back in town . Doch vor allem einer sollte das wissen, sollte ganz genau hinsehen und sich mächtig darüber ärgern, dass er sie schnöde abserviert hatte: Blake.
Denn hier in Camden kamen in ihr auch alle Erinnerungen und Gefühle wieder hoch: die berauschten Monate nach »Frank«, die Sehnsucht nach ihm und die Trauer über den absehbaren Krebstod ihrer Großmutter Cynthia. Sie begann, den erneut wachsenden Schmerz zu zelebrieren und in die Welt zurückzukehren, die brandgefährlich für sie war.
Aber es gab momentan auch keinen Grund für sie, an neuen Songs zu arbeiten, da »Back to Black« noch nicht einmal fertig abgemischt war. Amy würde zwar noch ein oder vielleicht sogar drei Musikvideos drehen müssen (eines zum Titelsong ihres Albums auf jeden Fall), doch ansonsten hatte sie wieder mehr Zeit, zumindest bis zur
Premiere, die für Oktober 2006 in den USA und für November in Europa vorgesehen war. Deshalb hatte sie jedenfalls wieder jede Menge Gelegenheit, mit dem Saufen und mit den Drogen anzufangen. Und mit der Jagd auf Blake.
Erstaunlicherweise sah man sie zunächst jedoch auf einmal mit einem anderen, neuen Mann an ihrer Seite. Die meisten Paparazzi mussten sich erst einmal nach seinem Namen erkundigen, denn er war keine eigentliche Größe, sondern ein Koch, der versuchte, in der Musikszene als Singer-Songwriter Fuß zu fassen. Er besaß einen Hardbody , recht gute Manieren, war knapp fünf Jahre älter als Amy und hatte unwissentlich drei verschiedene Nachnamen. Er hieß Alex Clare (andere Schreibweisen sahen jedoch »Clair« oder »Claire« vor) und war vermutlich selbst am meisten überrascht darüber gewesen, dass es so einfach gewesen war, mit Amy anzubandeln – vor allem aber danach nicht einfach abserviert zu werden, sondern sich Hand in Hand mit ihr von Event zu Event begeben zu dürfen, auf denen Amys Anwesenheit inzwischen wieder erwünscht und erhofft war. Alex Clare durfte daher fest damit rechnen, dass die Beziehung mit ihr seinen eigenen Karriereplänen nur förderlich sein konnte.
In dieser Zeit traf Amy sich ebenfalls wieder häufiger mit ihrem treuen Telefonfreund Kristian Marr, der von Sadie Frost gerade zum aktuellen »Toy Boy« ernannt worden war. Gemeinsam gingen beide Pärchen nun relativ häufig essen oder in den Pub, um sich einen zu genehmigen. Kristian Marr erinnerte sich später daran, dass Amy damals nur in Gesellschaft getrunken hätte und
dass sie Camden kaum verlassen hatten, wenn sie ausgingen.
Was zunächst nicht sonderlich auffiel war, dass an vielen Orten, wo Amy mit ihrem gut gebauten Alex aufkreuzte, auch Blake Fielder-Civil mit seiner Freundin anwesend war. Erst als sich diese seltsamen Begegnungen häuften, keimte bei einigen aufmerksamen Beobachtern der Szene der Verdacht auf, Amy könnte es vielleicht geradezu darauf anlegen, ihrer alten Flamme, ihrem » Baby« Blake, in aller Öffentlichkeit zu demonstrieren, was für eine tolle Frau er idiotischerweise verlassen hatte.
Amy vermied damals jedoch eine direkte Konfrontation mit Blake. Sie passte auch höllisch auf, sich zu beherrschen und nicht auszurasten, obwohl sie innerlich vor Eifersucht sicherlich raste.
Ihr Vater Mitch würde sich ein paar Monate später entsetzt darüber auslassen, dass Blake wie eine Art Schmeißfliege »erst mit dem Erfolg von ›Back to Black‹ den Weg zurück zu seiner Tochter gefunden hätte – unglücklicherweise«. Doch nach all dem, was man heute weiß (und was damals kurz nach dem Release ihres zweiten Albums hinter vorgehaltener Hand und hüstelnd
Weitere Kostenlose Bücher