Back to Paradise (German Edition)
auf eine vollständige Genesung. »Was machst du hier?«
Er zuckt mit den Achseln. »Dieselbe Frage habe ich mir heute Morgen auch schon gestellt.«
Einer der anderen Jungs aus unserer Gruppe, derjenige mit den langen Locken, die ihm ständig ins Gesicht fallen, furzt. Noch schlimmer ist, dass er eine große Show daraus macht, zu stöhnen und den Furz rauszupressen, als wäre er noch ein kleines Kind.
»Hey, Dude, geht’s noch?«, fragt Caleb.
»Was denn?«, sagt der Typ unbeeindruckt. »Ich musste mal pupsen.«
»Pups, wenn du allein bist, Mann. Sei kein beschissenes Arschloch.«
»Und wer bist du, die Pupspolizei?«, sagt der Typ und macht einen Schritt auf Caleb zu. Caleb steht hoch aufgerichtet da, als habe er schon viele Kämpfe hinter sich und keine Angst, der langen Liste einen weiteren hinzuzufügen.
Das ist unwirklich. Ich spüre meine Zehen nicht mehr, weil ich noch unter Schock stehe, und Caleb und dieser Typ stürzen sich in eine Prügelei wegen eines … Pupses?
»Auseinander, Jungs«, bellt eine raue Stimme. Ein riesiger farbiger Mann deutet mit einem Klemmbrett auf mich. »Maggie, kann ich dich eine Minute allein sprechen?« Er zeigt auf Caleb. »Dich auch, Becker. Sofort .«
Ich folge dem Mann weg vom Bus und bin mir der Tatsache schmerzlich bewusst, dass Caleb nur wenige Schritte hinter mir ist. Ich bin versucht, mich umzudrehen und von ihm zu verlangen, mir zu sagen, wo er die ganze Zeit gewesen ist, aber ich weiß nicht einmal, ob ich die Worte herausbekäme.
Der Mann bleibt neben einem Picknicktisch stehen, auf den er sein Klemmbrett fallen lässt. Er stellt sich mir als Damon Manning vor, den Betreuer und Anführer unserer Gruppe, dann guckt er, als würde es ihm Bauchschmerzen bereiten zu sagen: »Es ist klar, dass ihr beiden das Programm nicht zusammen durchziehen könnt. Ich hatte keine Ahnung, dass meine Assistentin dich nach Heathers Ausscheiden der Gruppe als Ersatz zugeteilt hat, Maggie.«
»Ich trete zurück«, bietet Caleb eilfertig an.
»Den Teufel wirst du tun, Becker. Dir bleibt gar keine andere Wahl, als das hier durchzuziehen.«
Das bedeutet, Damon erwartet von mir, einen Rückzieher zu machen. Wenn ich noch die alte Maggie wäre, die jeden Konflikt und jede Auseinandersetzung gescheut hat, wäre ich im Nullkommanix dazu bereit gewesen. Aber ich bin inzwischen stärker und gebe nicht mehr so einfach klein bei. Auch dann nicht, wenn es sich um Caleb handelt.
Ich wende mich entschlossen Damon zu. »Ich bleibe.«
»Maggie, es tut mir leid, aber es wird nicht funktionieren, wenn ihr beide …«
»Ich bleibe«, unterbreche ich ihn.
Damon reibt mit der Hand über seinen kahlen Schädel und seufzt. Ich sehe, dass er zu schwanken beginnt … zumindest ein wenig. Was kann ich sagen, um ihn davon zu überzeugen, dass ich die Gruppe nicht verlassen muss, bloß weil Caleb dazugehört? Die Wahrheit ist, mit Caleb zusammen zu sein, wird eine Herausforderung werden – eine große, mit der ich nie im Leben gerechnet hätte. Aber ich beschließe, mir selbst und auch ihm zu beweisen, dass ich über uns hinweg bin. Ich lasse nicht mehr zu, dass die Vergangenheit mein Leben bestimmt. Wir sind jetzt beide achtzehn, vor dem Gesetz gelten wir als erwachsen.
»Das ist eine schlechte Idee.« Damon ergreift das Wort. »Eine extrem schlechte Idee.«
»Kann ich allein mit Caleb sprechen?«, frage ich ihn.
Damon guckt von mir zu Caleb. »Also schön. Ihr habt fünf Minuten.«
Als Damon davonstapft, schlucke ich schwer und zwinge mich, Caleb anzusehen. Er wirkt erschöpft, aber gleichzeitig strahlt er Entschlossenheit aus.
Früher dachte ich, er sei alles, was ich wollte und bräuchte. Wenn ich Caleb Becker an meiner Seite hätte, wäre mein Leben in Ordnung. Und so war es auch, zumindest eine Weile lang.
»Es ist acht Monate her«, sage ich leise. Als ich daran denke, wie sehr ich ihn vermisst habe, füllen sich meine Augen mit Tränen. Ich blinzle und bete, dass sie nicht überfließen. Nicht jetzt, wo ich stark bleiben muss. Ich sage etwas, irgendetwas, damit ich nicht die Fassung verliere. »Du hast den Highschoolabschluss verpasst.«
»Ich habe eine Menge Dinge verpasst«, sagt er und streckt zögernd die Hand aus, ehe er beide Hände tief in seinen Hosentaschen vergräbt.
Ich weiß, ich sehe wahrscheinlich erbärmlich aus. Ich fühle mich erbärmlich. Aber ich habe es satt, vor Selbstmitleid zu zerfließen. Mein Leben musste weitergehen. Mit jedem Tag bin ich stärker geworden.
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