back to past - zurueck zu dir
nahm im Laufe der Sommermonate zu. Nie zuvor hatte es ihn gestört, verlieh seinem Ego eher einen Schub. Gabriel hörte auf ihn, ähnlich wie seine Schwestern, die sich blind auf ihn verließen. Sie folgten widerspruchslos seinen Anweisungen, wenn er sie auf ihr Zimmer schickte und ihnen im Flüsterton das Versprechen abnahm, still zu bleiben. Nicht aufzufallen, egal was sie auch hörten.
Doch diese Nacht veränderte alles. Als die ersten Lichter des Feuerwerks die Dunkelheit verdrängten, das nach oben gerichtete Gesicht Gabriels erhellten, konnte Christian seinen Blick nicht mehr lösen.
Die Zigarette verbrannte zwischen seinen Fingern, ohne dass er einen Zug nahm, und mit der Erkenntnis, die ihn schlagartig überfiel, wuchs seine Verachtung für sich selbst.
Dass er sich für sein eigenes Geschlecht interessierte, war immer schon undenkbar gewesen. Die bloße Andeutung hätte seinen Vater dazu veranlasst, ihn totzuschlagen. Und somit war ihm auch nie in den Sinn gekommen, einen Gedanken in diese Richtung zu verschwenden.
Dass ihm Frauen nichts bedeuteten, war ihm nicht wirklich aufgefallen, ordnete er sie doch in eine Reihe mit all den anderen Notwendigkeiten, die sein Leben bestimmten, ob er es nun wollte oder nicht.
Doch mit dem Glanz in Gabriels Augen, dem in den Nacken fallenden Haar, dem leicht geöffneten Mund, der tatsächlich einmal schwieg, fiel es Christian wie Schuppen von den Augen.
Gabriel war nichts anderes als anbetungswürdig. In dem schlaksigen, nicht ausgewachsenen Körper, hinter dem nervösen Knabbern an den Fingernägeln steckte der ehrlichste und freundlichste Mensch, dem Christian je begegnet war. Der einzige Mensch, der ihm je etwas bedeuten könnte.
Nebenbei war er schön.
Christian wandte den Blick ab, betrachtete die Brandblase an seinen Fingern. Gabriel war schön. Und ein Kind. Ein Kind mit einer Zukunft. Während abzusehen war, dass er selbst auch mit diesem Anlauf seinen Abschluss nicht schaffte. Nicht einmal notiert hatte, wann die Prüfungen stattfanden. Nicht einen der Briefe geöffnet hatte, die von der Schule gekommen waren.
Gab es doch auch Dringlicheres in seinem Leben, wie die beiden schwebenden Verfahren, in die er verwickelt war, die Androhung einer weiteren Jugendstrafe oder die Arbeitslosigkeit des Vaters, die der mit Alkohol und anzüglichen Bemerkungen Christians Schwestern betreffend kompensierte.
Es war höchste Zeit, dass er wenigstens für sie einen Ausweg fand. Konfuse Gedanken für jemanden, der nicht einmal imstande war, für sich selbst einen Weg zu suchen.
In dieser Nacht sprach er nicht mehr, reagierte nicht auf Gabriels Fragen, dessen Berührungen oder Gemurmel über den Alkoholdunst, den er verströmte. Sich hinter dieser Wolke zu verstecken, kam ihm nur gelegen.
Ihn die folgenden Tage zu ignorieren, fiel nicht schwer. Nicht, wenn sein Herz diesen schmerzhaften Sprung vollführte, sobald er Gabriel auch nur von Weitem sah. Als versuchte es, sich aus seiner Brust zu sprengen, aus seinem Körper, seinem traurigen Dasein. Er brauchte die Traurigkeit in Gabriels dunklen Augen nicht zu sehen, wenn der am Straßenrand stand, die eben noch zum Winken erhobene Hand sinken ließ und ihm nachblickte. Musste nicht beobachten, wie das Sonnenlicht kleine Funken in die satten, braunen Strähnen säte, um zu wissen, dass er nichts davon je vergessen würde, dass er nur die Augen schließen musste, um Gabriel vor sich zu sehen. So seltsam, illegal und abartig das auch war.
Es kostete ihn viel Zeit, bis er verstand, dass nichts davon abartig war. Bis er sich nicht mehr verurteilte, bis er die Freiheit gewonnen hatte zu begreifen, wer er war, und was er sich ersehnte.
Doch damals ließ er es zu, dass seine Wut sich gegen Gabriel richtete. Er benutzte sie, um den anderen vor den Kopf zu stoßen, um ihn ein für alle Mal abzuschütteln.
Er war zu erwachsen, hatte keine Zeit, sich um Kinder zu kümmern, auch keine Lust dazu. Gabriel nervte, er konnte dessen Gesicht nicht mehr sehen. Die Worte fielen fast ohne sein Zutun von seinen Lippen, und sie erfüllten ihren Zweck.
Nicht lange danach zog Gabriels Familie um. Und Gabriel, wie sollte es auch anders sein, ging nicht, ohne sich von ihm zu verabschieden.
Christian wartete und beobachtete ihn, der am kaputten Gartenzaun auf und ab ging, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, den Kopf nach vorne geneigt, als seien seine Schuhe ein hervorragendes Objekt seiner Betrachtung.
Als Christian aufgab und zu ihm
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