back to past - zurueck zu dir
auch Christian blieb nicht in seinem Elternhaus.
Er fand eine WG, die unter lockerer Aufsicht stand, lernte Felix kennen, der gelegentlich vorbeisah und Gespräche anbot. Nicht dass Christian Bedarf für Gespräche gehabt hätte, doch er schätzte das Vertrauen, das der Mann in ihn setzte. Felix übertrug ihm mehr und mehr Verantwortung, bat ihn um Hilfe und um seine Fahrdienste, bis Christian sich im Jugendzentrum wiederfand. Dort verputzte er Löcher in den Wänden, brachte Leisten am Boden an und reparierte die Tür, deren Schloss immer wieder eingetreten wurde. Er gewöhnte sich an auf Felix’ Worte zu hören, seine Ratschläge zuerst in Erwägung zu ziehen und schließlich anzunehmen. Felix legte ihm die Ausbildung zum Sozialassistenten nahe. Nebenbei lernte Christian die Probleme finanzieller und organisatorischer Art kennen, die mit der Leitung des Jugendcafés zusammenhingen, die nicht endenwollenden Behördengänge, die nie nachlassenden Schwierigkeiten, die stets vor ihre Füße rollten.
Mit Felix gemeinsam bewältigte Christian sie. Doch wenn der zunehmend davon sprach, aufzugeben, nicht nur die Stadt, sondern auch das Land zu verlassen, ignorierte Christian seine Worte. Immer öfter erklärte Felix seinen Traum, den Lebensabend im Süden zu verbringen, in einer Gegend, in der auch die Menschen mehr Sonne ausstrahlten, als in der grauen Stadt, die ihm längst zum Halse heraushing.
Christian wollte nichts davon hören, verleugnete lieber die Herausforderung, der er sich nicht gewachsen sah. Er wollte die Leitung des Zentrums nicht übernehmen, hatte es nie vorgehabt. Jetzt noch weniger, nachdem Gabriel zurückgekommen war und, ob der das nun beabsichtigt hatte, überhaupt wusste oder nicht, sein Leben auf den Kopf stellte.
Bisher war es ruhig gewesen, ausgefüllt und ohne unnötige Fragen und Lücken. Christian glaubte längst, seine wilden Zeiten hinter sich gelassen zu haben.
Nachdem seine Eltern kurz hintereinander gestorben waren, hatte er das Haus übernommen und langsam, Stück für Stück instand gesetzt. Seine Schwestern kehrten nicht zurück, meldeten sich kaum bei ihm, und Christian verstand sehr gut, woher deren Scheu stammte, den Ort ihrer Kindheit aufzusuchen. Es lag ihm fern, sie der Erinnerung auszusetzen, ferner noch, sie mit Aspekten seines Lebens zu konfrontieren, die sich in der Dunkelheit abspielten.
Er hatte Zeit gebraucht, um sich darüber klar zu werden, was er wollte. Länger noch, bis er bereit war, zu handeln.
Die einschlägigen Adressen, die anonymen Hinterzimmer zu finden war nicht schwer gewesen. Und die ersten Blowjobs, die er erhielt, erlaubten ihm keinen Zweifel an seiner Orientierung. Er ging nicht damit hausieren, doch mit den Jahren lernte er dazu, lernte, sich nicht mehr zu verstecken, die Offenheit zu leben, die er anderen vermitteln wollte.
Gelegentlich lernte er jemanden kennen, doch keiner bedeutete ihm mehr, als ihm in seiner Schulzeit die Mädchen bedeutet hatten, die an seinem Arm hingen. Christian kam zu dem Schluss, dass er für keine Beziehung geschaffen war, und dass es letztendlich weitaus schlimmer für ihn aussehen könnte. Eine Ehe, wie die seiner Eltern, eines der auseinandergehenden oder qualvollen Verhältnisse, die überall zu sehen waren, öffnete man nur weit genug die Augen, lockte ihn keineswegs.
Doch jetzt war seine Überzeugung ins Wanken geraten. Und das geschah bereits mit dem ersten Blick, den er auf Gabriel warf, sobald er in ihm den Jungen erkannte, den er nie vergessen hatte. Der zum Mann geworden war und sich nun oft genug in seiner Nähe aufhielt, um all die Fragen wieder aufleben zu lassen, von denen er glaubte, sie längst beantwortet zu haben. Plötzlich konnte er sich alles vorstellen, begriff die Bilder einer gemeinsamen Zukunft, die Gabriel vor so vielen Jahren gezeichnet hatte, noch bevor der selbst verstanden hatte, was sie bedeuteten.
Die Vorstellung alleine, die weit entfernte, unerreichbare Möglichkeit eines Lebens, das sie beide teilten, erschien ihm nichtsdestotrotz zu bedeutend, zu erderschütternd, als dass er auch nur die winzigste Chance durch einen Fehler ruinieren durfte.
Gabriel hatte klargestellt, was er wollte und was nicht. Christian begriff auch, dass er nicht bedrängt, nicht einmal an die Nacht erinnert werden wollte, die sie zusammen gewesen waren. Dinge wie diese geschahen, und Christian war keine Ausnahme der Regel. Wie oft hatte er versucht im Kontakt mit einem anderen Menschen, erst mit Mädchen,
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