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Backstage

Backstage

Titel: Backstage Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Schwarzwälder
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Berlin.
    Lilli stöckelte zu einem Kiosk, kaufte einen Flachmann und trank einen kräftigen Schluck. Sie nahm Fahrt auf, beschleunigte ihre Schritte, rannte beinahe. Paula bewunderte Lillis Fähigkeit, auf hohen Absätzen ein solches Tempo vorzulegen.
    Sie musste stehen bleiben. Ihr Rock war zu eng. Paula bückte sich, nahm die Stoffenden des kurzen Schlitzes in die Hände, riss und erweiterte so den Schlitz nach oben. Jetzt konnte sie ausschreiten, mit großen, schnellen Schritten der Frau folgen, die auf den Lietzenseepark zuging.
    Jogger, Walker, Radfahrer. Lilli lief mit gesenktem Kopf, reagierte nicht auf den Zuruf eines Joggers, dem sie den Weg abschnitt. Sie nahm einen weiteren Schluck, steckte die Flasche in die Handtasche.
    Paula blieb dran. Wie weiter? Würde Lilli irgendwann auf einer Bank den Rausch ausschlafen? Sie war nicht mehr in der Lage, etwas auszuplaudern, das Paula weiterhelfen konnte, war zu betrunken. Paula beschleunigte ihre Schritte. Sie empfand plötzlich Mitleid mit der Frau, die ihr Leben so sehr mit diesem Mann verbunden hatte, sich als Person gleichsam auflöste; sonst mochte Paula solche Frauen nicht, die den Sinn ihres Lebens im Leben des Mannes sahen, ihn stützten und nährten, unglücklich waren, sich aber dafür bezahlen ließen. Sie nannten das Ehe. Bremsen quietschten, ein Schrei. Lilli und ein Radfahrer lagen auf der Erde, zwischen sich das Rad.
    Gladys suchte ihren Weg auf dem vergrößerten Ausschnitt des Stadtplans. Er umfasste die Innenstädte West und Ost, das Gebiet um den Kurfürstendamm und Unter den Linden, dazwischen der Tiergarten, eine Fläche so groß wie dieses Viertel, das Mitte genannt wurde. Die Entfernungen waren kurz und zu Fuß erreichbar.
    Gladys war in einer Kleinstadt erwachsen geworden, in der man nicht sofort von der Polizei angehalten wurde, wenn man zu Fuß ging.
    Nach der Ausbildung zog sie nach Los Angeles, in die Nähe des Farmers Market, und war geschockt, als sie herausfand, was in dieser Stadt mit ihrem Gehalt bezahlbar war. Ein Wohn-Schlaf-Kasten in einem Block, der am Eingang einen Sicherheitsmann beschäftigte, die Flure durch Kameras bewacht, vierzig Quadratmeter Wohnfläche, das Fenster hatte einen halben Meter Abstand zur Wand des nächsten Hauses. Als ihre Mutter sie zum ersten Mal besuchte, überredete sie sie zu einem kleinen Haus in Santa Monica, in Strandnähe: Du erbst eines Tages alles, warum nicht jetzt einen Zuschuss, du hast ihn dir verdient, hast früher oft den Teig gerührt. Damals waren sie noch wie Freundinnen, wie Schwestern, miteinander umgegangen.
    Gladys verdrängte energisch die Erinnerungen. Sie überquerte den Boulevard Unter den Linden und lief zur Seitenstraße, in der sich die amerikanische Botschaft befand, weiträumig abgesperrt und gesichert.
    Da kam er schon, pünktlich, winkte jemandem zu, der in der Botschaft zurückblieb, passierte die deutschen Sicherheitskräfte und machte Gladys ein Zeichen, deutete unauffällig auf ein Café.
    Paula verfrachtete Lilli auf den Rücksitz eines Taxis und ließ sich zu ihrem Auto vor dem Operncafé fahren.
    Weder der Radfahrer noch Lilli schienen ernsthaft verletzt; Schürfwunden, zerrissene Kleidung und das verbogene Vorderrad waren das Ergebnis des Zusammenstoßes. Paula zeigte dem Radfahrer ihren Ausweis, gab ihm ihre Karte und versprach, dafür zu sorgen, dass der Schaden an Rad und Kleidung beglichen wurde, der Radfahrer war ein vernünftiger Mann.
    Lilli blieb auch die Fahrt über stumm. Sie konnte laufen, Arme und Finger bewegen, schwieg auf die Fragen, ob ihr etwas wehtat. Sie kauerte in der Ecke auf dem Rücksitz, die Arme um den Oberkörper geschlungen; Paula schnallte sie an.
    Dann telefonierte sie mit einem befreundeten Arzt, der noch Hausbesuche machte, traf ihn vor der Sprechstunde am Nachmittag auf seiner Tour an und überredete ihn zu einer Visite im Hotel. Sein Besuch würde unnötiges Aufsehen vermeiden, er gehörte nicht zu der Sorte, die sich im Fernsehen aussprechen mussten wie früher im Beichtstuhl.
    Paula nahm den Flachmann aus Lillis Handtasche und verstaute ihn in der eigenen. Lilli protestierte auch jetzt nicht. Sie ließ mit sich machen, hatte sich hinter Schweigen zurückgezogen, auch, als Paula vor dem Hotel am Gendarmenmarkt hielt.
    «Ich bin gleich zurück, will nur den Schlüssel holen.»
    Als Paula mit dem Schlüssel zurückkehrte, hing Lilli in der gleichen Haltung im Sicherheitsgurt.
    Paula befahl ihr wie einem Kleinkind, auszusteigen, und

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